Ob beim Heilbronner Polizistenmord die Organisierte Kriminalität eine Rolle spielte, gehört zu den Fragen, die auch in der jüngsten Sitzung des NSU-Ausschusses im Landtag offen blieb. Einige Funkdaten sind von der Polizei damals nicht ausgewertet worden.

Stuttgart - Die Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses interessierten sich am Montag vor allem für die Mobilfunkdaten der in Heilbronn getöteten Polizistin Michèle Kiesewetter und deren schwer verletztem Kollegen Martin Arnold. Das Erkenntnisinteresse konzentrierte sich auf die Frage, ob eine direkte Verbindung zwischen Tätern und zumindest einem der Opfer bestand. Dahinter steckt die Frage: Waren Kiesewetter und Arnold Zufallsopfer oder handelte es sich um ein gezieltes Attentat? Die Generalbundesanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden Polizisten als Repräsentanten des Staats angegriffen wurden. Deshalb spricht sie nicht von Zufallsopfern, erkennt aber auch keine persönliche Verbindung zwischen den von ihr als Täter identifizierten mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos und Kiesewetter oder Arnold.

 

Für Wolfgang Drexler, den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, geht es nicht mehr darum, die Täterfrage neu zu stellen. Dafür sieht er auch nach der Auswertung der Funkzellendaten keinen Anlass. Offen sei allerdings, ob Mundlos und Böhnhardt Helfer hatten.

Die Funknetze grenzen nicht trennscharf aneinander

Einige Fragen der Abgeordneten ließen sich bei der Sitzung am Montag aufklären. Zum Beispiel jene, weshalb die Handys von Kiesewetter und Arnold in unterschiedlichen Funkzellen eingewählt waren, obwohl die Polizisten doch nebeneinander im selben Dienstauto saßen. Dies aber sei durchaus möglich, versicherten Fachleute der Polizei wie auch eines Mobilfunkanbieters. „Das kann sogar passieren, wenn sie ein Handy links in der Hosentasche stecken haben und ein anderes rechts“, berichtete ein Kriminalbeamter. Allein schon deshalb, weil die Funknetze nicht trennscharf aneinander grenzten, sondern sich überlappten.

Den Ermittlern lagen etwa 740 000 Verbindungen vor, nach Abzug von Mehrfachnennungen handelte es sich um 560 000 „Verbindungen von A nach B.“ Die Handynummern des NSU-Trios Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe fanden sich allerdings nicht darunter – jedenfalls nicht die der Polizei bekannten. Indes entdeckte die Polizei bei der Auswertung der Funkzellendaten Hinweise auf Personen aus der organisierten Kriminalität. Ebenso seien Handys von Mitgliedern des Heilbronner Rockerklubs Hells Angels in der Zelle angemeldet gewesen, berichtete ein Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) Man sei diesen Spuren nachgegangen. Zum Teil hätten sie sich als nicht relevant erwiesen, zum Teil habe man sie nicht klären können, da einige Handys auf Fantasienamen angemeldet worden seien.

Es gibt Hinweise auf die organisierte Kriminalität in Osteuropa

Letztlich unklar blieb jedoch, weshalb einer Reihe von Kreuztreffern nicht nachgegangen wurde. Bei Kreuztreffern handelt es sich um Funkdaten, die in Heilbronn erhoben wurden und die in Polizeidateien bereits erfasst waren. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Drexler wurden 45 Treffer in Verbindung mit organisierter Kriminalität in Osteuropa und – damit zusammenhängend – 16 deutsche Telefonnummern nicht untersucht. Auch Treffer bei der europäischen Polizeibehörde Europol wurden nach Angaben aus dem Ausschuss nicht geprüft. Dies habe keine Priorität gehabt, sagte ein Kriminalbeamter. „Man hat das zurückgestellt, die Daten gehen ja nicht verloren, die sind noch da.“

Hinweise auf die organisierte Kriminalität in Osteuropa sind schon deshalb interessant, weil auch Mundlos und Böhnhardt entsprechende Kontakte nachgesagt werden. Damit will sich der zweite Untersuchungsausschuss des Bundestags beschäftigen. Drexler sagte, die Funkzellen seien nicht strukturiert und systematisch ausgewertet worden. Ob das heute noch notwendig sei, stellte er jedoch in Frage. Damals wäre es aber wohl angezeigt gewesen. Der CDU-Obmann Matthias Pröfrock urteilte hingegen: „Wenn man in Sachen osteuropäischer Organisierter Kriminalität weitergegangen wäre, dann wäre das nur ein erneuter Weg in die Sackgasse geworden.“