Nach der Befrgung des ehemaligen Anführers der Sauerlandgruppe, Fritz G., glaubt der zweite NSU-Ausschuss des Landtags nicht an eine Verbindung der Gruppe zum Mord an Michèle Kiesewetter.

Stuttgart - Die islamistische Sauerlandgruppe ist nach Überzeugung des NSU-Untersuchungsausschusses nicht in die Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter verwickelt gewesen. Das Landtagsgremium befragte am Montag in Stuttgart den damaligen Anführer der Gruppe, Fritz G.. Dieser erklärte, dass es keinerlei Bezüge der Sauerlandgruppe zu Heilbronn gegeben habe. Er widersprach insbesondere auch Gerüchten, wonach an Kiesewetters Todestag, dem 25. April 2007, Zünder für Sprengsätze der Gruppe auf der Theresienwiese übergeben worden seien. Die Zünderübergaben hätten im August 2007 in Wolfsburg und Mannheim stattgefunden, sagte der heute 37 Jahre alte Zeuge aus. Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) sagte, es stehe fest, dass die Sauerlandgruppe keine Verbindungen zum NSU gehabt habe.

 

Geheimdienst und Sauerlandgruppe waren nicht in Heilbronn

Zuvor war spekuliert worden, Personen aus dem Umfeld der Sauerlandgruppe hätten sich am Tattag in Heilbronn aufgehalten - und aus dem Grund seien auch Mitglieder eines US-Geheimdienste in der Stadt gewesen. Kiesewetter und ihr Kollege seien bei einer Zünderübergabe dazwischengekommen, lautete die Theorie. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte Fritz G. im März 2010 wegen Verabredung zum vielfachen Mord zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Er wurde in diesem Sommer unter strengen Auflagen vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Mitglieder der Sauerlandgruppe wollten Terroranschläge auf Discos, Flughäfen und US-Einrichtungen in Deutschland verüben.

Aus einem Observationsprotokoll deutscher Geheimdienstler geht hervor, dass Fritz G. am 25. April 2007 über „erschossene Bullen“ geredet habe. Der Zeuge erklärte dem Ausschuss, dass er lediglich im Radio von dem Zwischenfall in Heilbronn gehört und dann allgemein über Parallelen zu einem anderen Fall von erschossenen Polizisten gesprochen habe, den er vor langer Zeit aus den Medien erfahren habe. „Ich glaube nicht, dass er uns hier etwas vorgemacht hat“, sagte CDU-Obmann Arnulf von Eyb. Auch SPD-Obmann Boris Weirauch sagte, der Zeuge habe widerspruchsfrei argumentiert. FDP-Obmann Nico Weinmann sah damit auch die These der angeblichen Anwesenheit amerikanischer Geheimdienstmitarbeiter in Heilbronn widerlegt.

Ausführungen zur rechten Musik-Szene sorgen für Erstaunen

Die Ermordung Kiesewetters wird den Rechtsterroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) zugeschrieben, die nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft für zehn Morde zwischen 2000 und 2007 verantwortlich sind. Der NSU-Ausschuss soll die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg und mögliches Behördenversagen beleuchten.

Zuvor hatten die Ausführungen des Diplom-Sozialpädagoge Jan Raabe zur Bedeutung der rechtsextremen Musikszene im Ausschuss für Erstaunen gesorgt. Raab sagte, dass es zwischen dem NSU-Unterstützernetzwerk von Blood and Honour in Sachsen und Rechtsrock-Bands in Baden-Württemberg personelle Überschneidungen gab. Beispielsweise sei mit Andreas Graupner ein Mann aus dem Kernbereich von Blood and Honour aus Chemnitz um das Jahr 2001 herum in den Raum Ludwigsburg gezogen. Zudem habe das NSU-Trio Lieder der baden-württembergischen Rechtsrock-Band Noie Werte in einer Version ihres Bekennervideos verwendet, um damit ihre Taten musikalisch zu unterlegen.

Grünen-Politiker Jürgen Filius zeigte sich „erschüttert“ über die große Anzahl von Tonträgern und Bands, die es in der rechtsextremen Musikszene gibt. SPD-Politiker Weirauch und CDU-Politiker von Eyb erklärten, ihnen sei die Dimension nicht bewusst gewesen. Auch FDP-Politiker Weinmann sprach von Handlungsbedarf.

Laut Drexler will der Ausschuss nun prüfen, ob es in der Szene Menschen gab, die die NSU-Terroristen unterstützten oder bei denen die Rechtsterroristen zeitweise untergekommen sein könnten. Der NSU-Ausschuss geht davon aus, dass der NSU bei Kiesewetters Ermordung Helfer hatte. Konkrete Hinweise dafür gibt es aber bislang nicht.