Hat der Militärische Abschirmdienst versucht, den späteren Neonazi-Mörder Uwe Mundlos anzuwerben? Während der Verteidigungsminister Reue zeigt, werden Forderungen nach Abschaffung des MAD laut.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Berlin - Das Verteidigungsministerium hat geliefert – wenn auch verspätet. Einen Tag, nachdem sich der NSU-Ausschuss des Bundestags über eine Verwicklung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) in den Fall des Rechtsterroristen Uwe Mundlos erzürnt hatte und auch den Verteidigungsminister in Bedrängnis brachte, hat dessen Ressort seine Sicht dargestellt. Demnach erscheint die mangelhafte Information der Abgeordneten als eine Folge von Schluderei – nicht als gezielte Vertuschung. Thomas de Maizière (CDU) sieht Fehler im eigenen Haus. Das Verhalten des MAD in den neunziger Jahren sei aber korrekt gewesen, versichert er.

 

Dennoch schlugen die Wogen weiter hoch: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verlangte, den Abschirmdienst abzuschaffen. „Das gehört ganz oben auf die politische Agenda“, sagte die FDP-Vize. Unisono forderten auch Grüne und Linke die Beseitigung von Verfassungsschutz und MAD. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: „Nach meiner Auffassung kann es nur einen Weg geben, nämlich die Behörden aufzulösen und einen kompletten personellen Neuanfang zu starten.“ Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, betonte, die Inlandsgeheimdienste hätten sich selbst jede Legitimationsgrundlage entzogen. Kanzlerin Angela Merkel sicherte im Bundestag eine umfassende Aufklärung zu. Zudem werde Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die Sicherheitsstrukturen so verändern, dass solche Vorgänge nicht mehr möglich seien.

MAD-Präsident bestreitet Anwerbung

Am Dienstag war publik geworden, dass der MAD versucht haben soll, den späteren Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) 1995 während seines Wehrdienstes als Informanten zu gewinnen. Der herbeizitierte MAD-Präsident Ulrich Birkenheier bestritt eine Anwerbung.

Der Verteidigungsminister stützt diese Version. Am Mittwoch schilderte sein Ministerium, wie der MAD den Wehrpflichtigen Mundlos am 8./9. März 1995 drei Wochen vor Dienstzeitende zu seiner rechtsextremistischen Haltung befragt hatte. Mundlos war wegen indizierter Skin-Musik und NS-Devotionalien aufgefallen. Es habe in den Gesprächen aber „keine Anhaltspunkte“ auf rechtsterroristische Absichten gegeben. Die (von Mundlos verneinte) Frage, ob er geplante Anschlagstermine melden würde, sei „kein Hinweis auf eine Quellenwerbung“, sondern „geltender Standard“, hebt das Verteidigungsministerium hervor. „Eine Anwerbung von Uwe Mundlos als Quelle des MAD war aufgrund seiner nur noch geringen Restdienstzeit nicht möglich und deswegen von vorneherein zu keiner Zeit beabsichtigt.“

Daten gelöscht

Der MAD dürfe sich nur mit aktiven Bundeswehrangehörigen befassen. Deswegen seien die Daten dort später gelöscht worden – wann genau, lasse sich nicht rekonstruieren; jedenfalls weit vor dem Aufdecken der NSU-Verbrechen. Wegen der Beseitigung der Akte habe der MAD bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses auch nicht wissen können, „dass er früher einmal Uwe Mundlos befragt hatte“.

Zuvor hatte der Abschirmdienst am 27. Juni 1995 noch den Bundesverfassungsschutz sowie die Landesämter in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in Kenntnis gesetzt. Daher nahmen am 8. März dieses Jahres die sächsischen Verfassungsschützer diese Spur wieder auf und baten den MAD erfolglos um den Befragungsbericht. Darüber wurde am 12. März erst das zuständige Referat im Verteidigungsministerium, am 13. März die Leitung informiert.

De Maizière übt Selbstkritik

Mitte April bekamen die Bundestagskontrolleure die verbliebenen Unterlagen aus Sachsen. Zwischenzeitlich wechselte zum 1. Juli die MAD-Leitung von Karl-Heinz Brüsselbach auf Ulrich Birkenheier. Der neue Präsident forschte erst Anfang August bei den zivilen Verfassungsschutzbehörden nach dem – beim MAD vernichteten – Befragungsbericht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde fündig, so dass der Bundestagsausschuss die vollständige Akte am 5. September erhielt.

Die Passivität veranlasst de Maizière nun zur Selbstkritik: Obwohl der Untersuchungsausschuss seit Mitte April vom sächsischen Verfassungsschutz informiert gewesen sei, „wurde es bedauerlicherweise seitens des Verteidigungsministeriums unterlassen, auf die bevorstehende Übersendung (der Unterlagen) zusätzlich gezielt hinzuweisen“, heißt es. Der Minister teilt die Ansicht des Ausschussvorsitzenden Sebastian Edathy (SPD), dass dieses Verhalten „unsensibel“ gewesen sei.