Der Landtag will die Kontakte des NSU-Mördertrios in den Südwesten erhellen. Doch die Enquetekommission kommt nicht wirklich voran, und mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss stehen die Grünen allein. Dabei habe sie gute Gründe.

Stuttgart - Der Streit um die Aufarbeitung der NSU-Umtriebe in Baden-Württemberg lodert erneut auf. Obwohl die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission am Montag erst zum zweiten Mal öffentlich tagte, sprach sich der Grünen-Obmann in dem Gremium, der Tübinger Abgeordnete Daniel Lede Abal, erneut für einen Untersuchungsausschuss an. „Daran kommen wir auf Dauer nicht vorbei“, sagte Lede Abal. Die Enquetekommission könne den Untersuchungsausschuss mit seinen stärkeren Durchgriffsrechten vorbereiten, aber nicht ersetzen. „Wir haben immer gesagt, dass es Fragen gibt, die nur in einem Untersuchungsausschuss geklärt werden können.“ Ein Untersuchungsausschuss kann die Herausgabe von Akten verlangen und Zeugenaussage erzwingen. Dagegen hält der SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou eine Enquetekommission für ausreichend.

 

Das Begehren des Grünen-Politikers Lede Abal kann als Reaktion auf die hinhaltende bis abwehrende Haltung des SPD-geführten Innenministeriums auf die parlamentarische Beschäftigung mit dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und dessen zu Bezügen zu Baden-Württemberg interpretiert werden. Dabei geht es nicht nur um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und den Mordanschlag auf deren Kollegen Martin Arnold vor sieben Jahren in Heilbronn. Im Zuge der diversen Ermittlungen war auch offenbar geworden, dass mehrere baden-württembergische Polizisten einige Zeit bei einem Ableger des rassistischen Ku-Klux-Klans mitgemacht hatten und mit Verweisen davonkamen. Einer dieser Beamten gehörte später der gleichen Einheit der Bereitschaftspolizei an wie Kiesewetter. Übrigens ebenso ein Beamter, der quasi nebenberuflich in Libyen vorübergehend als Ausbilder der Sicherheitskräfte des damaligen Diktators Gadaffi tätig gewesen war. Was den Ku-Klux-Klan-Ableger angeht: Dieser wurde im Jahr 2002 von einem Mitarbeiter des Landesverfassungsschutz informiert, dass er abgehört werde. Auch dieser Fall von Geheimnisverrat endete nicht etwa mit einer Entfernung aus dem Dienst, sondern mit einer Versetzung zum Regierungspräsidium. Die Beweislage sei zu dünn gewesen, hieß es später.

Das Innenministerium mauert

Das Innenministerium sowie das dort angesiedelte Landespolizeipräsidium, so vermutet man bei den Grünen, hätten schon deshalb kein Interesse an der erneuten Aufarbeitung dieser Vorgänge im Land, weil der eigene Apparat und dessen leitenden Kräfte nicht in Verlegenheit gebracht werden sollen. Dazu komme, dass Innenminister Reinhold Gall (SPD) den durch die Polizeireform aufgewühlten Sicherheitsapparat nicht weiter beunruhigen wolle.

Das Ministerium wiederum verweist auf die NSU-Untersuchungsausschüsse des Bundestags sowie mehrerer Bundesländer, deren Ergebnisse vorlägen. Neue Erkenntnisse seien nicht zu erwarten. Zudem habe die von Gall eingesetzte Ermittlungsgruppe „Umfeld“ die Kontakte des NSU-Mördertrios in Baden-Württemberg bereits so umfassend wie nur möglich untersucht.

Ursprünglich hatte die Enquetekommission am Montag mehrere Zeugen zum Mord in Heilbronn vernehmen wollen, unter anderem die damaligen Ermittlungsleiter sowie den seinerzeit zuständigen Staatsanwalt. Doch soweit kam es nicht. Die laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts sowie der Münchner NSU-Prozess, so hieß es, machen eine konkrete Beschäftigung mit den damaligen Geschehnissen wenn nicht unmöglich, so doch absprachebedürftig. Dies gestaltet sich womöglich nicht so einfach. Bereits seit längerem ist zu hören, die Veröffentlichung des des Abschlussberichts der Ermittlungsgruppe Umfeld habe die Generalbundesanwaltschaft erbost; seither sei sie gegenüber dem Ministerium in Stuttgart verschlossen wie eine Auster. Allerdings zeigten sich Abgeordnete im Ausschuss irritiert, dass das Innenministerium verlangt hatte, die ausgewählten Zeugen sollten ausdrücklich auf die Freiwilligkeit ihres Kommens aufmerksam gemacht werden. Der Abgeordnete Lede Abal sagte, von Landesbeamten erwarte er, dass sie erscheinen, wenn sie vom Parlament gerufen werden. Nun soll ein Gutachten des Landtags die Rechtsfragen klären.

Der harte Kern blieb

In der Enquetekommission äußerten sich mehrere Beamte des Innenministeriums, des Landespolizeipräsidium sowie des Landesverfassungsschutzes zur allgemeinen Entwicklung des Rechtsextremismus in Baden-Württemberg seit der Wiedervereinigung – allerdings mit Erkenntnissen, die im Wesentlichen auch den jeweiligen Jahresberichten der Behörden entnommen werden können. Die wichtigste These lautete: Zwar gibt es inzwischen weniger organisierte Rechtsextremisten als zu Beginn der 1990er Jahre, doch der harte Kern ist eher eher gefährlicher und auch jünger geworden. Derzeit sind es in Baden-Württemberg etwa 1800.