An der Frage der Akkreditierung von ausländischen Medien ist das Münchner Oberlandesgericht vorerst gescheitert. Jetzt nimmt es einen neuen Anlauf – und handelt sich neue Kritik ein.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Schwarz auf Weiß steht da: „Medium: Stuttgarter Zeitung“, Name des Berichterstatters, Ausweisnummer, Ausgabetag (17. 4. 2013). Darüber „Oberlandesgericht München, Akkreditierung im Verfahren Beate Zschäpe u. a.“, und umseitig schließlich, dass die in Plastik verpackte Pappkarte am letzten Sitzungstag „unaufgefordert“ wieder zurückzugeben sei. So sah eine von fünfzig vergebenen Presseakkreditierungen für den NSU-Prozess aus. In den letzten Wochen gab es hierzulande nicht viele Themen, die häufiger und emotionaler erörtert wurden.

 

Nun ist, so viel scheint sicher, der bei einer Verhandlungsdauer von erwartbaren über zwei Jahren ohnehin ferne letzte Sitzungstag noch einmal weiter weg gerückt, weil das Münchner Oberlandesgericht beschlossen hat, die Verhandlung statt am morgigen Mittwoch erst am 6. Mai aufzunehmen: „um zehn Uhr“, wie die nicht von Ungefähr ein wenig entnervte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel am Montagmittag feststellte. Zwei Wochen lang hatte sie beobachten können, wie die alphabetisch geordneten Akkreditierungen auf dem Tisch der Pressestelle im siebten Stock des Justizzentrums immer weniger wurden, ehe das Bundesverfassungsgericht am Freitag einer Beschwerde der vorerst nicht akkreditierten türkischen Zeitung „Sabah“ stattgab. Es entschied, das Oberlandesgericht müsse eine „angemessene Zahl“ der insgesamt 50 Pressesitzplätze für ausländische Medien bereit halten, die einen „besonderen Bezug zu den Opfern“ hätten (die „New York Times“ zum Beispiel oder die „Neue Zürcher Zeitung“ waren unter anderem leer ausgegangen).

Kontingentierungen waren immer umstritten

Das Bundesverfassungsgericht stellte der Münchner Behörde anheim, entweder mindestens drei Plätze für türkische Medien frei zu räumen, oder ein neues Akkreditierungsverfahren zu starten. „Zeitlich und organisatorisch“, wie das Münchner Gericht daraufhin am Montagmittag antworten ließ, sei es aber nicht mehr möglich gewesen, Ersteres bis zum Beginn der Hauptverhandlung am Mittwoch zu bewerkstelligen. Deswegen werde das Akkreditierungsverfahren völlig neu gestartet, sagte Margarete Nötzel, allerdings wisse sie nicht, welches Prozedere diesmal gewählt werde.

Ursprünglich hatte das OLG die vorhandenen Presseplätze für den Schwurgerichtssaal 101 an der Münchner Nymphenburgerstraße (50 von insgesamt 230 Plätzen) strikt nach dem Eingang der Akkreditierungsgesuche vergeben: ausdrücklich hatte sich das Gericht dagegen verwahrt, ein Sonderkontingent für ausländische Medien zu schaffen. Solche Kontingentierungen haben seit den Zeiten des Düsseldorfer Mannesmann-Prozesses und des Verfahrens gegen den Fernsehmoderator Jörg Kachelmann Tradition, waren jedoch immer umstritten. Der Vorsitzende Münchner Richter, Manfred Götzl, hatte sich für die Vergabe der Presseplätze nach dem sogenannten „Windhund“-Prinzip entschlossen, weil auch alle anderen Verfahren Ungerechtigkeiten produziert hätten, wie er meinte.

Organisatorische Probleme für auswärtige Angehörige

Das Verfassungsgericht wiederum hatte ausdrücklich offen gelassen, ob die publizistische Gleichbehandlung verletzt worden sei. Diese Frage wird Karlsruhe zu einem späteren Zeitpunkt erörtern. Dadurch wurde die Lage für den Zschäpe-Prozess nicht einfacher. In München hätte man nun die Möglichkeit gehabt, von den 50 für die Öffentlichkeit reservierten Plätzen drei Sitzplätze abzuzweigen. Aber auch diese Maßnahme hätte wohl wieder Kritik produziert. Während in Berlin die SPD- Generalsekretärin Andrea Nahles kurz nach Bekanntwerden des neuen Sachstands fand, es sei „ein gutes Signal, dass das Gericht jetzt Rücksicht“ auf die griechischen und türkischen Medien nehme, sahen Betroffene vor Ort die Dinge ganz anders.

Die Münchner Anwältin Angelika Lex, die als Nebenklägerin die Angehörigen eines griechischen Opfers vertritt, sagte, dass die Familienmitglieder jetzt „noch schwereren Belastungen ausgesetzt“ seien, weil sie sich nun mal auf den Mittwoch dieser Woche seelisch besonders vorbereitet hätten. Hinzu kommen für alle auswärtigen Angehörigen organisatorische Probleme. Es wird nicht einfach werden, für den 6. Mai und die folgenden Wochen Quartiere in München zu finden. Zudem gibt es viele bereits genommene Urlaube, die sich in Einzelfällen nur schwer verschieben lassen werden.

München wird als „provinziell“ beschimpft

Für alle am Zschäpe-Verfahren direkt oder indirekt Beteiligten beginnt nun eine mehr als dreiwöchige Wartezeit, die in der letzten Woche allmählich ihr Ende gefunden zu haben schien. Am Donnerstag war es nach den vielen Diskussionen zu einer insgesamt würdigen Landtagssitzung gekommen, während der die bayerische Justizministerin Beate Merk indirekt einräumte, dass es im Vorfeld eines solchen zentral wichtigen Verfahrens zu Problemen kommen könne, sie nun aber darauf vertraue, dass der Prozess in einem korrekten Rahmen ablaufe.Einen Tag später hatte der Stadtrat Münchens, das zurzeit oft kollektiv als „provinziell“ beschimpft wird, sich in einer ebenfalls angemessenen Sitzung darauf verständigt, Gedenktafeln für die beiden Münchner Opfer der Zwickauer Terrorzelle in Berg am Laim und auf der Schwanthalerhöhe zu installieren. Zu Recht widersprach bei dieser Gelegenheit der Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) dem Vorwurf, München habe eben diese Debatte verschleppt. Ganz im Gegenteil habe man, so Ude, „keinen Schnelligkeitswettbewerb“ veranstalten wollen.

Durchatmen werden wohl die Anwohner am Gerichtsgebäude

Darüber hinaus hat sich die Stadt, was den entschiedenen Umgang mit rechtsextremer Gewalt betrifft, wirklich nichts vorzuwerfen. Das Münchner Bündnis gegen Rassismus arbeitet aufmerksam und bis hinein in die Bezirksausschüsse gibt es explizit Beauftragte gegen Rechtsextremismus. Dass sich München – anders als die Stadt Nürnberg – gegen eine zentrale Gedenkstätte anlässlich der NSU-Morde entschieden hat, lässt sich nachvollziehen. Gegen Naziterror, staatlichen und alltäglichen Rassismus wendete sich schließlich noch am Samstag ein aus fast zehntausend Demonstranten bestehender Protestzug.

Durchatmen werden fürs Erste wohl vor allem die Anwohner am Gerichtsgebäude. Dieses Gebiet nämlich hatte die Münchner Polizei wegen des Prozessauftakts kurzfristig komplett sperren wollen. Nun wandern sechshundert Halteverbotsschilder vorübergehend wieder ins Depot. Und an der Nymphenburgerstraße beginnt ein neues Akkreditierungsverfahren.