Schwere Vorwürfe gegen das Münchner Oberlandesgericht (OLG) und die Bundesanwaltschaft: Einer der Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe behauptet im NSU-Prozess, dass unter anderem ein bedeutender Ermittlungsansatz pflichtenwidrig nicht weiter verfolgt worden sei.

München - Einer der Pflichtverteidiger von Beate Zschäpe hat im NSU-Prozess schwere Vorwürfe gegen das Münchner Oberlandesgericht (OLG) und die Bundesanwaltschaft erhoben. Rechtsanwalt Wolfgang Heer sagte, die Bundesanwaltschaft habe Aussagen einer mutmaßlichen Entlastungszeugin und damit einen „bedeutenden Ermittlungsansatz pflichtenwidrig nicht weiter verfolgt“. Auch der OLG-Senat sei dem nur widerwillig und letztlich erfolglos nachgegangen. Anklage und Gericht hätten damit die Grundsätze eines fairen Verfahrens für Zschäpe missachtet.

 

Anwalt Heer bezog sich dabei auf die Brandstiftung in der Zwickauer Fluchtwohnung, in der Zschäpe mit den beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bis zu deren Freitod gelebt hatte. Zschäpe habe sich damit nach Ansicht der Bundesanwaltschaft des versuchten Mordes schuldig gemacht, weil sie das Leben ihrer betagten Nachbarin und zweier Handwerker gefährdet habe.

Strafe wegen einfacher Brandstiftung gefordert

Die Aussagen der Nachbarin gegenüber der Polizei und eines Ermittlungsbeamten legten aber das Gegenteil nahe, so Heer. Auch Zschäpe habe ausgesagt, sie habe vor der Brandlegung bei der Nachbarin geklingelt und sie warnen wollen.

Die Justiz habe zu verantworten, dass eine unmittelbare Aussage der Nachbarin nicht rechtzeitig gesichert wurde, obwohl bekannt war, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtere. Eine Verurteilung Zschäpes wegen versuchten Mordes komme auch deshalb nicht infrage, weil ihr dafür der Entschluss gefehlt habe. Möglich sei nur eine Strafe wegen einfacher Brandstiftung.

Zu allen anderen Punkten hatte Heer bereits Freispruch verlangt. Die Bundesanwaltschaft hält Zschäpe der Mittäterschaft an allen Verbrechen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ für schuldig. Dazu gehört vor allem eine Serie von zehn Morden aus Fremdenhass oder Hass auf den Staat. Neun der Opfer waren türkisch- oder griechischstämmige Gewerbetreibende, eines war eine Polizistin.