Bei einer weiteren Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses in Stuttgart hat der frühere V-Mann Tino Brandt behauptet, Geld für das Trio gesammelt zu haben – mit Wissen des Verfassungsschutzes.

Stuttgart - Wer am Montag den Landtag betreten wollte, brauchte Geduld. Penibel durchsuchten Bereitschaftspolizisten die Besucher des NSU-Untersuchungsausschusses. Umstellt von mehreren Mannschaftswagen ähnelte das Parlament einer Hochsicherheitszone. Nicht ohne Grund. Bereits in der vergangenen Woche ging beim Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) ein Drohbrief ein. Der richtete sich sowohl gegen ihn als Person, als auch gegen die Arbeit des Gremiums. „Offensichtlich gibt es Menschen, denen es nicht passt, dass wir jetzt diese Kaliber laden“, erklärte Drexler.

 

Der Ausschuss hat bei seinen vergangenen Sitzungen mehrfach Angehörige der rechtsextremen Szene gehört – bis zum Ende der Beweisaufnahme im Sommer soll daran festgehalten werden. „Wir laden auch weiterhin alle vor, die wir wollen – unabhängig davon, welche Schreiben hier eingehen“, kündigt Drexler an.

Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg unter der Lupe

Einer, dem die Abgeordneten gerne Fragen gestellt hätten, erschien am Montag allerdings nicht in Stuttgart. Der ehemalige Thüringer Neonazi Sven Rosemann legte dem Ausschuss eine Krankmeldung vor. Nach Informationen unserer Zeitung liegt der Hintergrund in einem weiteren Vorfall, der polizeilich untersucht wird. Demnach wurde auf dem Briefkasten von Rosemann die Patrone einer Schusswaffe abgelegt.

Der Rudolstädter, der in den Neunzigerjahren eine militante Kameradschaft anführte, wird mit Waffengeschäften im Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) in Verbindung gebracht. Auch ein Marbacher Neonazi mit Verbindungen ins Rotlichtmilieu soll laut einer Zeugenaussage daran beteiligt gewesen sein.

Zwar gehen Ermittler nicht davon aus, dass über Rosemann die Ceska 83 zu den Rechtsterroristen gelangte, mit denen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zwischen 2000 und 2006 neun Männer mit Migrationshintergrund erschossen. Weitere Waffengeschäfte schließen die Kriminalen aber nicht aus. Auch woher die Pistolen kamen, mit denen Mundlos und Böhnhardt am 25. April 2007 die Polizistin Michèle Kiesewetter töteten und ihren Streifenpartner schwer verletzten, ist unklar. Die Mitglieder des zweiten Untersuchungsausschusses nehmen deshalb Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg unter die Lupe.

Wohl keine engen Bande nach Baden-Württemberg

Kaum neue Erkenntnisse lieferte am Montag der ehemalige Verfassungsschutz-Spitzel Tino Brandt. Der 43-Jährige wurde in Fußfesseln in den Plenarsaal geführt. Er sitzt eine mehrjährige Haftstrafe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Justizvollzugsanstalt Hohenleuben ab. Ab Mitte der Neunzigerjahre baute er den rechtsextremen Kameradschafts-Verbund „Thüringer Heimatschutz“ auf, dem auch die späteren NSU-Mitglieder angehörten. „Wir wollten die Politik verändern, weg von Multi-Kulti“, sagte Brandt. „Wir waren durchaus überzeugte Nationalsozialisten.“

Finanzspritzen kamen vom Thüringer Verfassungsschutz, dem Brandt von 1994 bis 2001 als V-Mann Informationen lieferte. Wöchentlich habe er sich zuletzt mit dem Geheimdienst getroffen. Als Gegenleistung gab es Bares. Für Hotelübernachtungen und Fahrten zu Demonstrationen ins gesamte Bundesgebiet habe es „Extra-Auslagen“ gegeben. Auch einen Besuch von Brandt mit Kameraden aus Jena bei einer NPD-Kundgebung auf dem Stuttgarter Schlossplatz im November 1997 habe der Thüringer Freistaat finanziert. Mit dem Ausflug in den Süden habe man „diplomatische Beziehungen“ pflegen wollen. Enge persönliche Bande nach Baden-Württemberg habe es aber nicht gegeben.

Schlechtes Licht auf das V-Leute-System

Für Empörung sorgte Brandts Aussage, dass er für die untergetauchten Drei Gelder gesammelt habe – mit Wissen des Thüringer Verfassungsschutzes. „Ich bin darüber entsetzt“, kommentierte der Grünen-Obmann Jürgen Filius. Laut seinem Kollegen Boris Weirauch (SPD) wirft die Praxis der Thüringer Behörde ein „schlechtes Licht auf das V-Leute-System“. Der FDP-Obmann Nico Weinmann warf die Frage auf, warum Brandt bisher nicht als Zeuge im Thüringer Untersuchungsausschuss gehört worden sei.