Der NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags hat seine Arbeit aufgenommen. Der frühere Chef des Hamburger Verfassungsschutzes und Innensenator Heino Vahldieck hat über die Eigenheiten der Geheimdienstler berichtet.

Stuttgart - Die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) haben nach Ansicht des früheren Hamburger Innensenators Heino Vahldieck (CDU) kein generelles Systemversagen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern offen gelegt. „Davon kann keine Rede sein“, sagte der 59-Jährige am Freitag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags. Vahldieck hatte von 2002 bis 2010 den Verfassungsschutz der Hansestadt geleitet. Vor den Ausschuss geladen war er als Mitglied der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus. Dieses Gremium war Anfang 2012 eingesetzt worden und sollte nach dem Auffliegen der Terrorzelle NSU Schwachstellen in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Ländern untereinander aufspüren. Im Mai 2013 legte die Kommission ihren Bericht vor, dessen Ergebnis Vahldieck nachzeichnete.

 

Nach seinen Worten zeigten die NSU-Morde, die von den im Dunkeln tappenden Sicherheitsbehörden gar nicht als rechtsextremistische Terrorakte in Erwägung gezogen worden waren, durchaus Fehler und Versäumnisse von Polizei und Verfassungsschutz auf. Vor allem fehlende Kommunikation zwischen den Behörden und Akteuren hätten den Ermittlungserfolg erschwert. Zumindest für die Zeit der Umtriebe des NSU-Trios konstatierte Vahldieck „Optimierungsbedarf bei der Weitergabe von Informationen.“ Indes habe die Kommission keinesfalls den Eindruck gewonnen, die Behörden seien auf dem rechten Auge blind.

Mängel am Informationsaustausch

Den mangelnden Informationsaustausch räumte Vahldieck ein, wobei er auf seine Erfahrungen als Chef des Hamburger Verfassungsschutzes verwies. Es gebe die Neigung, das eigene Wissen nicht weiterzureichen. Dafür gebe es auch sachliche Gründe, etwa den Schutz der eigenen Quellen. „Das ist eingebrannt in die DNA der Verfassungsschützer.“ Das dürfe aber nicht so weit gehen, dass Informationen überhaupt nicht weitergeleitet werden. Vahldieck sagte, vor allem bei dienstälteren Verfassungsschützern sei eine selbstbezogene Haltung zu beobachten, die er so beschrieb: „Toll, dass wir es wissen, aber das reicht dann aber auch.“

Kritisch setzte sich der frühere Hamburger Innensenator auch mit der Anwerbung von V-Leuten auseinander. V-Leute sind Informanten, die in der jeweiligen Szene gewonnen werden. Mitunter werden sie mit verdeckten Ermittlern verwechselt. Bei denen handelt es sich um Beamte, die oft jahrelang mit einer falschen Legende ermitteln. Vahldieck ließ erkennen, dass die Gewinnung von V-Leuten bei den Nachrichtendiensten mitunter zum Selbstzweck werde, jedenfalls als wichtigste Aufgabe gelte. Dies dürfe aber nicht so weit gehen wie in Thüringen: Dort war mit Tino Brandt der Kopf des „Thüringer Heimatschutzes“ als V-Mann des Verfassungsschutzes angeworben worden. „Das kann nicht sein“, sagte Vahldieck, „dann ist der Innenminister in gewisser Weise Chef einer extremistischen Bewegung.“

Wurden Akten vernichtet?

Von Versäumnissen in der Zusammenarbeit der baden-württembergischen Behörden mit dem Bund oder anderen Ländern wusste Vahldieck nicht zu berichten. Dies gelte weder für die Zeit, in der das NSU-Trio aktiv war, noch die Zeit nach dem Aufliegen der Terrorgruppe. Der Untersuchungsausschuss beschloss, ein Gutachten zur Sicherheitsarchitektur des Landes in Auftrag zu geben. Außerdem will er untersuchen, ob im Land Akten zur NSU-Thematik vernichtet wurden.