Flammentod am Cannstatter Wasen: Der Feuersachverständige konzentriert sich auf Brandspuren, die Kriminaltechnikerin ist eher zufällig bei der Untersuchung des ausgebrannten Autos von Florian H. Und ein Zeuge schließt plötzlich nicht mehr aus, eine zweite Person am Tatort gesehen zu haben.

Stuttgart - Hat die Polizei im Fall Florian H. schlampig ermittelt? Dieser Verdacht hat sich am Montag in der jüngsten Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses des Landtags erhärtet. „Das kann ich nicht sagen“ – „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht“ – „Dazu werde ich nichts sagen“ – „Ich war nicht zuständig“ – „Ich kann nicht sagen, warum das so ist, aber bei uns ist das gängige Praxis“ – „Dafür gibt es auch eine Verwaltungsvorschrift“: Diese Schlaglichter aus den Befragungen zur kriminaltechnischen Untersuchung des ausgebrannten Autos von Florian H. waren symptomatisch für die Erklärungsversuche, die den Abgeordneten offeriert wurden.

 

Entdeckungen im Autowrack

Der Ausschuss untersucht den Flammentod des damals 21-jährigen Ex-Neonazis, der am 16. September 2013 in seinem Peugeot am Cannstatter Wasen verbrannt war. Am selben Tag sollte Florian H. von Beamten des Landeskriminalamts (LKA) vernommen werden, nachdem er zuvor gegenüber der Polizei von einem angeblichen Treffen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) mit einer ominösen Neoschutzstaffel (NSS) in Öhringen berichtet hatte. Zudem soll er nach Angaben von Dritten behauptet haben, er kenne die Täter des Mordanschlags auf zwei Polizisten in Heilbronn im Jahr 2007.

Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass Florian H. Suizid beging, seine Familie mag das aber nicht glauben. Peinlich für die Ermittler: Die Schwester des Toten entdeckte in dem Autowrack, das die Familie nach der kriminaltechnischen Untersuchung in einer Garage abgestellt hatte, eine Reihe von Gegenständen, die der Polizei entgangen waren, darunter eine Gasdruckpistole, eine Machete, den Autoschlüssel und anderes mehr.

Zur Überraschung des Untersuchungsausschusses bekundete der Brandsachverständige vom LKA am Montag, es überrasche ihn seinerseits nicht, dass die Familie diese Gegenstände nachträglich entdeckt habe. „Das ist plausibel.“ Als Sachverständiger habe er ausschließlich die Aufgabe, die Brandursache zu identifizieren. „Ich darf nur danach suchen, wozu ich beauftragt bin.“ Wenn ihm bei diesen Recherchen im Auto andere interessante Gegenstände unterkämen, dann mache er die ermittlungsführenden Beamten darauf aufmerksam. Die Machete zumindest habe er gesehen, diese in seinem Bericht aber als „abgerundetes Messer“ bezeichnet. Aus der Ermittlungsarbeit – dazu gehöre die Durchsuchung des Wagens nach Hinweisen jenseits der Brandthematik – müsse er sich heraushalten. Alles andere gefährde seinen Status als unabhängiger Sachverständiger – etwa bei einer Gerichtsverhandlung. Dann drohe nämlich Befangenheit. Dazu gebe es einschlägige juristische Literatur.

Disziplinarverfahren gegen Beamten

Das Problem war nur: Die Hauptkommissarin der Kriminaltechnik, die bei der mehrstündigen Arbeit des Brandsachverständigen und seines Kollegen ununterbrochen dabei war, bezeichnete sich als unzuständig für die Untersuchung des Fahrzeugs. Sie sei mehr oder wenig zufällig anwesend gewesen und habe nur auf Wunsch des ermittlungsführenden Kollegen eine oberflächliche Durchsicht des Peugeots vorgenommen. Oberflächlich deshalb, weil sie keine Spuren verwischen wollte, ehe der Brandsachverständige übernahm. Dieser aber konzentrierte sich allein auf die Brandquelle. Weshalb eine komplette Untersuchung des Brandwracks unterblieb, konnte letztlich nicht geklärt werden, weil gegen den ermittlungsführenden Beamten ein Disziplinarverfahren läuft. Dieser Umstand verhalf ihm zu dem Recht, die Aussage zu verweigern.

Die Zeugin „Bandini“ – hinter dem Decknamen steckt die langjährige Freundin von Florian H. – berichtete in nichtöffentlicher Ausschusssitzung, Florian habe ihr schon im Sommer 2011 berichtet, hinter dem Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter in Heilbronn stecke eine Gruppierung namens NSU. Nähere Angaben konnte sie aber nicht machen. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Wolfgang Drexler (SPD) zeigte sich sich die Zeugin sicher, Florian habe nicht Suizid begangen. Dessen letzte Botschaften, übermittelt über einen Nachrichtendienst in der Nacht vor seinem Tod, lassen jedoch auf tiefe Resignation schließen. Florian schrieb, er sei mit seiner Energie am Ende und wissen nicht mehr, was er machen solle.

Der Leiter des Heilbronner Staatsschutzes sagte, von einer Neoschutzstaffel habe er erst jüngst gehört. In Heilbronn gebe es Personen, die dem rechtspopulistischen Spektrum zugehörig seien, aber keine verfestigte rechtsextreme Szene.