Es sieht aus wie ein Suizid - aber war es auch einer? Der NSU-Ausschuss beschäftigt sich nun mit dem Tod eines jungen Mannes, der offensichtlich Stress mit Ermittlern und der rechten Szene hatte.

Stuttgart - Die mutmaßliche Selbstverbrennung eines jungen Mannes auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart beschäftigt ab Montag den NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag. Nach den offiziellen Ermittlungen handelt es sich um einen Selbstmord. Der Berliner Rechtsextremismus-Professor Hajo Funke glaubt aber, dass Florian H. möglicherweise in den Tod getrieben, wenn nicht sogar ermordet, wurde. Denn er habe unter erheblichem Druck der Ermittler und der rechten Szene gestanden. Am Tag seines Todes sollte der junge Mann von Beamten befragt werden. Es sollte dabei um den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007 in Heilbronn gehen.

 

Im November 2011 hatte sich eine Zeugin bei der Kriminalpolizei in Heilbronn gemeldet. Er soll laut ihrer Aussage behauptet haben, Kiesewetters Mörder zu kennen. Die Ermittler gewannen allerdings damals den Eindruck, dass Florian H. die Täter nicht kenne und nur in der rechten Szene angebe. Am 16. September 2013 starb Florian H. kurz nach Mitternacht in einem brennenden Fahrzeug. Zwar hinterließ er keinen Abschiedsbrief. Nach Einschätzung der Ermittler war der junge Mann aber wegen der Trennung von seiner Freundin bedrückt oder sogar depressiv. Anzeichen für ein Fremdverschulden an dem Tod sahen die Ermittler nicht.

Zeugen zu mysteriösem Suizid werden befragt

An diesem Montag will der Untersuchungsausschuss den Vater und die Schwester des Toten, Augenzeugen des mutmaßlichen Selbstmordes und - in nicht-öffentlicher Sitzung - die frühere Freundin von Florian H. befragen. An zwei weiteren Tagen sollen auch Ermittlungsbeamte und Mediziner, die den Toten untersuchten, als Zeugen vernommen werden. „Am Ende muss klar sein, dass alle Fragen gestellt werden konnten“, sagte SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou der Deutschen Presse-Agentur. Er warnte davor, vorschnelle Urteile zu fällen. „Was als Ergebnis rauskommt, weiß heute keiner.“ CDU-Obmann Matthias Pröfrock meinte, nach der bisherigen Aktenlage seien die Ermittlungsergebnisse der Beamten schlüssig. Allerdings seien für ihn noch einige Fragen offen.

Den Terroristen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) werden zehn Morde von 2000 bis 2007 zugerechnet - an Kleinunternehmern ausländischer Herkunft und an Kiesewetter. Der Untersuchungsausschuss soll die Bezüge des NSU nach Baden-Württemberg aufarbeiten. Bislang befragte das Gremium Rechtsextremismusexperten, um Anstöße für die eigene Arbeit zu bekommen. Am Montag beginnt mit der Zeugenbefragung die eigentliche Aufklärungsarbeit des Ausschusses.