Eigentlich ist die Befragung von Zeugen im NSU-Ausschuss schon beendet. Doch wegen einer V-Person namens "Krokus", die für den baden-württembergischen Verfassungsschutz aktiv war, rollt man die Beweisaufnahme noch einmal auf. Man hofft auf neue Erkenntnisse im Mordfall Kiesewetter.

Stuttgart/Berlin - Der NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag will wieder in die Beweisaufnahme eintreten, um Vorgänge in Baden-Württemberg zu durchleuchten. Das erklärten Ausschussmitglieder nach einer Beratungssitzung des Gremiums in Berlin. Eigentlich hatte der Ausschuss die Befragung von Zeugen bereits abgeschlossen. Baden-Württemberg hatte kürzlich aber neue Akten an den Bundestag übersandt. Dubios ist die Rolle einer V-Frau namens „Krokus“ des baden-württembergischen Verfassungsschutzes.

 

So will „Krokus“ den Behörden kurz nach der Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn gemeldet haben, dass Rechtsextremisten versuchten, in einem Krankenhaus in Ludwigsburg etwas über den Gesundheitszustand von Kiesewetters schwer verletztem Kollegen herauszufinden. Angeblich soll dieser Hinweis aber ignoriert worden sein. Der Ausschuss will dazu am 24. Juni - möglicherweise in nicht-öffentlicher Sitzung - den V-Mann-Führer von „Krokus“ befragen.

Wieland dämpft zu hohe Erwartungen

Der FDP-Obmann in dem Ausschuss, Hartfrid Wolff, sagte, in der Sitzung vom Donnerstag seien noch einmal Beamte aus Baden-Württemberg und des Bundeskriminalamtes befragt worden. Dabei seien nicht alle Fragen beantwortet worden. CDU-Obmann Clemens Binninger erklärte, der Ausschuss habe sich zum Ziel gesetzt, allen Hinweisen und Spuren konsequent nachzugehen - dem Grundsatz wolle man sich treubleiben. Der Grünen-Obmann Wolfgang Wieland warnte vor allzu hohen Erwartungen an die Befragung am 24. Juni. „Man sollte nicht die Erwartung haben, dass wir alle Fragezeichen im Fall Kiesewetter aufklären können.“

Den mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe werden zehn Morde zwischen 2000 und 2007 zugerechnet - an neun türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie an Kiesewetter. Die NSU-Terroristen waren erst im November 2011 aufgeflogen. Sie sollen nach ihrem Untertauchen auch Kontakte nach Baden-Württemberg gehabt haben und mehrmals dorthin gereist sein.

Die Vertreter von SPD und Grünen in dem U-Ausschuss waren dem Vernehmen nach zunächst nicht dafür, wieder in die Beweisaufnahme einzutreten. Die Union habe darauf aber mit Unterstützung von FDP und Linken gedrungen - am Ende fiel der Beschluss einstimmig.

FDP-Obmann Wolff sprach sich dafür aus, nach der Bundestagswahl einen neuen NSU-Ausschuss einzusetzen, um neue Erkenntnisse aus dem laufenden NSU-Prozess in München aufzuarbeiten. Sein Kollege Binninger reagierte zurückhaltend. „Wir haben insgesamt 18 Monate intensiv gearbeitet. Ob es irgendwann die Notwendigkeit gibt, einen weiteren Ausschuss einzusetzen, ist die Entscheidung des künftigen Parlamentes“, sagte er mit Blick auf die Bundestagswahl.