Im Fall der beiden Polizisten beim Ku-Klux-Klan sollte „nicht in die Breite ermittelt“ werden. Die Aussage eines Polizeiführers löst bei den Abgeordneten im NSU-Ausschuss Irritationen aus. Sollte die peinlichen Angelegenheit vertuscht werden?

Stuttgart - Man kann das ja verstehen, dass Polizisten sich schwer tun mit der Erinnerung an ihre Ku-Klux-Klan-Mitgliedschaft, auch wenn sie direkte beamtenrechtliche Sanktionen nicht mehr befürchten müssen. Liegt ja schon anderthalb Jahrzehnte zurück, die peinliche Geschichte. Doch je länger die Zeugenvernehmung des Polizeihauptmeisters Timo H. währt, desto ungehaltener werden die Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses. Wie schon jüngst Jörg W. bleiben auch die Antworten des Timo H. vor dem Gremium erkennbar taktisch motiviert: nur nichts preisgeben, was auf eine rechtsradikale Einstellung schließen ließe.

 

Jörg W. und Timo H. sind jene beiden Polizisten, von denen sicher gesagt werden kann, dass sie von 2001/2002 bei einer Ku-Klux-Klan-Gruppe (KKK) in Schwäbisch Hall mitgemacht hatten – inklusive eines Aufnahmerituals mit rassistischen Sprüchen und Daumenabdruck mit dem eigenen Blut. Aber natürlich bekennen sich die beiden nicht als Rassisten. Jörg W. hatte bei seiner Vernehmung vor dem Parlamentsausschuss angegeben, ihn hätten die christlichen Erbauungsreden des Klan-Chefs Achim Schmid angezogen. Timo H. sagt, ihm sei es darum gegangen, menschlichen Anschluss zu finden. Das löst bei den Abgeordneten Erstaunen aus. Kontakte ließen sich doch auch bei einem Sportverein finden, da müsse man doch keinem Rassistenklub beitreten. Ja, antwortet Timo H., aber er habe damals 21 Jahre gezählt und sei halt noch unreif gewesen.

Leute mit weißen Mützen

Timo H. sagt, Jörg W. habe ihn dabei haben wollen. Und er sei seinem Freund W. „hinterher gedackelt wie ein Hündchen“. Vom Ku-Klux-Klan habe er keine so genaue Vorstellung gehabt, „was man vom Fernsehen her halt kennt: Leute mit weißen Mützen“. Timo H. stellte seinen Kollegen und damaligen Freund Jörg W. als denjenigen dar, der ihn zum Klan gelockt habe. Der Grünen-Abgeordnete Jürgen Filius hakt nach: „Wie kamen Sie zum Ku-Klux-Klan?“

Timo H.: „Über den Kollegen Jörg W.“

Filius: „Aber man muss doch auch empfänglich sein für so etwas?“

Timo H.: „Wie meinen Sie das?“

Der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler (SPD) hält ihm die Aussage von Jörg W. entgegen, Timo H. habe sich damit gebrüstet, zu seiner Verwandtschaft habe auch der Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß gezählt. Timo H. bestreitet dies.

Und der CDU-Abgeordnete Matthias Pröfrock fragt Timo H., ob es ihn nicht „kalt den Rücken hinunter gelaufen“ sei, als er bei der Aufnahme in den Klan schwören musste, dass er seit Generationen keine jüdischen Vorfahren habe. Der Polizist antwortet darauf, das Problem damals nicht erkannt zu haben. Timo H. tritt vor dem Ausschuss auf wie ein junger Investmentbanker: schwarzer Anzug, weißes Hemd, schwarze dicke Brille und ein schwarzer Hipsterbart.

Am Morgen hatte Yvonne Fischer ausgesagt, die Ex-Frau des Klan-Anführers Achim Schmid. Sie erinnert sich an Timo als „ruhigen und netten“ Menschen, mit dem sie normal reden konnte. Die anderen im Klan seien eher „proletentechnisch unterwegs“ gewesen. Ihren Ex-Mann Achim Schmid beschreibt sie als „völlig durchgeknallt“. Weil er sie ständig mit Schlägen traktiert habe, sei sie ins Frauenhaus geflohen. „Nennt mich Gott“, habe Achim S. gesagt.

Rätselhafte Anweisung

Timo H. kam, nachdem seine KKK-Mitgliedschaft vom Verfassungsschutz im Zuge einer Abhöraktion aufgedeckt worden war, mit einer Zurechtweisung davon, obwohl er noch Beamter auf Probe war. Der damalige Dienstvorgesetzte von Timo H. bei der Bereitschaftspolizei sagt, er habe den Vorgang erst Mitte 2004 auf den Schreibtisch bekommen. Vom Polizeibereitschaftspräsidium sei die Anweisung ergangen, „nicht die Breite zu ermitteln“. Angeblich wegen der doch schon Jahre zurückliegenden Abhöraktion des Verfassungsschutzes. Eine genauere Begründung bleibt er schuldig. Im Ausschuss wird nun gerätselt, ob die Mitgliedschaft der Polizisten beim KKK vertuscht werden sollte, um den Ruf der Polizei nicht zu beschädigen.