Die Stadt hat versehentlich ein geschütztes Sumpfgebiet entwässert. Der Fehler könnte für eine bedrohte Heuschreckenart das Ende bedeuten.
Nürtingen - Karl-Heinz Frey ist sehr verärgert gewesen über das, was ihm ein Anrufer am 1. August erzählt hat. Von dem Informanten hatte der Sprecher des Arbeitskreises Esslingen im Landesnaturschutzverband erfahren, dass sich ein Bagger an einem geschützten Biotop nahe des Geländes des Hundesportvereins Aichtal zu schaffen macht. Dort würden Drainagerohre verlegt, um die in einem Landschaftsschutzgebiet liegende Feuchtwiese im Gewann „Am Trogbrunnen“ zu entwässern. Dort ist neben seltenen Pflanzen auch die stark gefährdete Sumpfschrecke, lateinisch Stethophyma grossum, beheimatet. Karl-Heinz Frey befürchtet das „langsame Sterben“ des sehr rar gewordenen Insekts.
Tatsächlich erneuerten dort Mitarbeiter des Nürtinger Bauhofs die Entwässerungsrohre auf dem Grundstück, das sich in städtischem Besitz befindet. Sie sollen vor allem dafür sorgen, dass die umliegenden Ackerflächen nicht unter Wasser stehen. Der neue Pächter, ein Landwirt, hatte beim Bauhof um die Maßnahme gebeten, obwohl sich sein Vorgänger an der 432 Quadratmeter großen geschützten Sumpfwiese – etwa ein Zehntel der Gesamtfläche – nie gestört hatte. Frey informierte daraufhin das Landratsamt als untere Naturschutzbehörde. Doch dort war keine Genehmigung für die Arbeiten erteilt worden.
Die Stadt hält den Fehler für korrigiert, Frey nicht
„Da ist dem Bauhof ein Fehler unterlaufen“, gibt Jochen Hildenbrand, der Umweltbeauftragte der Stadt Nürtingen, unumwunden zu. Der Pächterwechsel und ein neuer, noch nicht über den naturschutzrechtlichen Status der Wiese in Kenntnis gesetzter Bauhofleiter hätten zu einer unglücklichen Konstellation geführt, die letztlich den Baggereinsatz verursacht habe, sagt Jochen Hildenbrand. Dort hätte ohnehin das verstopfte Drainagerohr ersetzt werden müssen, um die anderen Ackerflächen weiter trocken zu halten. Dass dabei auch der Quellsumpf entwässert wurde, sei bedauerlich.
Doch bei einem Ortstermin am Dienstag, 7. August, – anwesend waren er selbst sowie ein Vertreter des Landratsamts, der Bauhofleiter und Karl-Heinz Frey – sei der Fehler korrigiert worden. Man habe beschlossen, wieder aufzubaggern, nun einen geschlossenen Schlauch zu verlegen und Glatthafer einzusäen. Das sei bereits umgesetzt und damit der Biotopzustand seiner Ansicht nach „ wiederhergestellt“ worden. Der Naturschützer Karl-Heinz Frey sei ebenfalls „einverstanden gewesen“. Deshalb sei er, Hildenbrand, erstaunt, dass dieser nun Widerspruch gegen die Maßnahme eingelegt habe.
Frey will den ursprünglichen Zustand zurück
Dieser Darstellung tritt Frey entschieden entgegen. Er sei bei dem Termin nicht nach seiner Meinung gefragt worden. Die Naturschutzbelange seien bei der Entscheidung der Behörden nicht berücksichtigt worden und sie finde nicht die Zustimmung der entsprechenden Verbände, erklärt Karl-Heinz Frey. Er müsse als privater Naturschützer zudem nicht die Meinung der Ämter vertreten. Das Biotop sei nun zu 95 Prozent zerstört, „die Wiese ist nicht mehr feucht und wird es in absehbarer Zeit auch nicht mehr sein“. Die Drainage müsse wieder verstopft werden, um eine dauerhafte Entwässerung des Quellsumpfs zu vermeiden. Darin sieht Karl-Heinz Frey die Stadt Nürtingen in der Pflicht: „Der ursprüngliche Zustand muss wieder hergestellt werden, so steht es im Naturschutzgesetz.“