Die Initiative für NS-Opfer erinnert seit zwei Jahren vor der Kreuzkiche an Einzelschicksale. Im Internet werden diese ausführlich dokumentiert. Am 20. September gibt es einen Vortrag im Rathaus.

Nürtingen - In zwei Jahren hat die Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen bisher 13 Verfolgte vorgestellt. Vom 20. September an dokumentiert die Initiative am „Denkort“ an der Kreuzkirche das 14. Einzelschicksal. Erinnert wird dann an Werner Gross. Weil er sich für die kommunistische Partei engagiert hatte, wurde er von den Nazis sieben Jahre lang in Gefängnissen und Konzentrationslagern weggesperrt. Werner Gross überlebte den Todesmarsch von Dachau und dokumentierte diesen.

 

Der Mantel des Schweigens soll endlich gelüftet werden

Das Plakat mit einer Kurzbeschreibung über Werner Gross wird am 20. September um 19 Uhr an der Kreuzkirche platziert. Im Anschluss daran ist die Öffentlichkeit zu einem Vortragsabend in der Glashalle des Nürtinger Rathauses eingeladen. Von 19.30 Uhr an hält dort Joachim Schlör einen Vortrag mit dem Titel „Selbstkritik, Bescheidung, Weltoffenheit – Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus als Thema der Kulturwissenschaften“. In seinem Vortrag wird Schlör, der in Southampton am Parkes Institute for the study of Jewish/non-Jewish relations arbeitet, auch Bezug nehmen zu Werner Gross, dessen Lebensgeschichte er in seiner Magisterarbeit an der Uni Tübingen erforscht hat.

Vortragsabende zu einem bestimmten Aspekt des Nationalsozialismus soll es künftig möglichst einmal pro Jahr geben, sagt Hellmut Kuby von der Gedenkinitiative. Die Gruppe gibt es inzwischen seit fünf Jahren in Nürtingen. Jeder der möchte, kann sich hier engagieren. Es geht darum, persönliche Schicksale von NS-Opfern aus Nürtingen aufzudecken und aufzuschreiben. Zwangsarbeiter, Juden oder politisch Verfolgte – die Verbrechen an Verfolgten sollen öffentlich gemacht werden und der Mantel des Schweigens nach sieben Jahrzehnten endlich gelüftet werden.

Das Denken und Handeln soll verändert werden

Laut Stefan Kneser und Jakob Fuchs von der Gedenkinitiative haben sich die an den „Denkort“ geknüpften Erwartungen erfüllt. Die Menschen bleiben stehen und beschäftigen sich mit diesem dunkelsten Teil der deutschen Geschichte. Diesen Eindruck bestätigt die Leiterin des Nürtinger Kulturamts und der Volkshochschule, Susanne Ackermann. „Der ,Denkort‘ funktioniert, er hält die Erinnerung lebendig“. Das auch von der VHS und der Stadt unterstützte Projekt der Gedenkinitiative bezeichnet sie als „hervorragend“.

„Erinnern kann das eigene Denken und Handeln verändern“. Getreu diesem Motto ist die Gedenkinitiative auch an Nürtinger Schulen aktiv. Alle sechs Monate zieht die vom Bildhauer Robert Koenig gestaltete Skulptur von Anton Köhler – einem in Auschwitz ermordeten Nürtinger Sinto-Jungen – als „Wächter der Erinnerung“ von einer Schule zur anderen. Die Gedenkinitiative habe, so Jakob Fuchs, eine zeitgemäße Form der Erinnerungsarbeit gefunden. Über den Denkort hinaus dokumentiert die Initiative auf ihrer Homepage im Internet ausführlich die Schicksale von NS-Opfern.