In Nürtingen kümmert sich Netzwerk um die Asylbewerber. Doch das Ehrenamt stößt an Grenzen, wenn es darum geht, die Schnittstelle zwischen dem Flüchtling als Verwaltungsakt und dem Flüchtling als Menschen zu besetzen.

Nürtingen - Die Aufgabenverteilung in der Flüchtlingshilfe ist klar geregelt. Der Kreis Esslingen ist für das Dach über dem Kopf zuständig, die Sozialbetreuung obliegt der Arbeiterwohlfahrt. Das funktioniert, wie hier im Containerdorf auf dem Parkplatz der Nürtinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule, mal gut, mal weniger gut. Doch selbst ein Verwaltungshandeln, das sehr gut funktioniert, ist bestenfalls ein Verwaltungshandeln. Für die Puppe, „die Mama sagen kann und weint“ ist kein Amt zuständig und die Sorge um Matschhosen obliegt nicht der Wohlfahrt.

 

Wenn die vier Jahre alte Katharina aus Serbien trotzdem hoffen kann, ihre Puppe bald im Arm zu halten und wenn ihre Spielkameraden aus dem Flüchtlingslager trotzdem bald unbeschwert im Matsch spielen können, dann haben sie es den rund 80 Ehrenamtlichen zu verdanken, die sich um die Belange der nach Nürtingen gespülten Flüchtlingsfamilien kümmern.

120 Lebenslinien aus aller Welt

„Nigeria, Kamerun, Gambia, Pakistan, Sri Lanka, Indien, Serbien, Russland, Mazedonien, Syrien, Irak, Iran.“ Wenn Julia Rieger, die Sprecherin der Nürtinger Flüchtlingshilfe, die Herkunftsnationen der 120 Asylbewerber aufzählt, dann fehlt kaum eine der Krisenregionen, die täglich die Nachrichten beherrschen. Auf dem kargen Betonparkplatz der Schule kreuzen sich 120 Lebenslinien aus aller Welt. Viele von ihnen sind noch nicht allzu lang. „Im Augenblick leben hier rund 25 Kinder“, sagt Monika Nau, eine der Mitstreiterinnen von Julia Rieger.

Um die Reibungsverluste klein zu halten, bieten die Ehrenamtlichen eine ganze Reihe von Beschäftigungsmöglichkeiten an. Es gibt einen Häkel- und Strickkurs, es gibt Bastelangebote und für Kinder die Möglichkeit, die Bücherei zu besuchen. Die Kunsttherapeutin Nina Raber arbeitet mit den ganz Kleinen in einem Atelier für Kunst und Therapie. Hermann Eberbach leitet die Mobilitätsgruppe, die in einer vom Landkreis zur Verfügung gestellten Garage gespendete Fahrräder wieder auf Vordermann bringt. Die Matschhosen wiederum stehen auf der Wunschliste von Rebekka Weis. Sie hat ein Beschäftigungsangebot für Kinder auf die Beine gestellt.

Drehscheibe für das Ehrenamt

Wenn die Helfer selbst Hilfe brauchen, greifen sie vor allem auf Ragini Wahl zurück. Die Flüchtlingsbeauftragte des evangelischen Kirchenbezirks macht die Ehrenamtlichen nicht nur mit den Grundlagen des Asylverfahrens vertraut, sie weiß, wo es klemmt. „Ohne ihr Grundlagenwissen hätten wir bei Null angefangen“, sagt Pit Lohse, der Geschäftsführer des Trägervereins Freies Kinderhaus.

Die vom Verein getragene Kinderkulturwerkstatt liegt, ebenso wie das Kulturzentrum Seegrasspinnerei gerade mal einen Steinwurf vom Containerdorf entfernt. Das hat sich als Glücksfall für die Flüchtlingskinder erwiesen. „Täglich kommen rund zehn Kinder zu uns rüber und werden hier betreut“, sagt Lohse. Und die benachbarte Seegrasspinnerei ist zur Drehscheibe für das Ehrenamt geworden.

Dort versucht man, die Schnittstelle zwischen dem Flüchtling als Verwaltungsakt und dem Flüchtling als Mensch zu besetzen. „Es gibt bisher niemanden, der da zuständig wäre“, klagt Lohse. Auch das Ehrenamt brauche eine professionelle Unterstützung. „Da geht es um Menschen, nicht um irgendeine Bachputzete“, sagt Lohse.

Das Manko ist im Landratsamt erkannt. „Wir sind dabei, eine Koordinierungsstelle einzurichten“, sagt dessen Sprecher, Peter Keck. Dabei sollen auch die Kommunen ins Boot genommen werden. „Unser Ziel ist es, dass alle Akteure in der Flüchtlingsarbeit ohne Reibungsverluste operieren“, ergänzt Brigitte Walz, die Kreissozialamtsleiterin.