Die Erfahrungen mit künstlerischen Therapien in Nürtingen sind gut. Darauf aufbauend soll das Angebot jetzt ausgebaut werden.

Nürtingen - In Nürtingen soll ein Fachdienst künstlerische Therapien in Schulen und Kindertageseinrichtungen etabliert werden. Der städtische Kulturausschuss hat sich jetzt mit breiter Mehrheit dafür ausgesprochen, einen entsprechenden Förderantrag beim Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) zu stellen. Das Ziel ist es, Kinder mit auffälligem Verhalten wieder zu stabilisieren. Die Stadt kooperiert bei dem angestrebten Modellvorhaben mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU).

 

Erzieherinnen und Lehrer sind häufig überfordert

Nürtingen fängt dabei keineswegs bei Null an. Bereits seit 13 Jahren werden dort künstlerische Therapien im Schulalltag angewendet. Die Kunsttherapie arbeitet dabei vor Ort in engem Zusammenspiel mit der Schulsozialarbeit. Außerdem ist die Hochschule für Kunsttherapie, die inzwischen in der HfWU aufgegangen ist, von Anfang an mit im Boot gewesen. So werden beispielsweise Kunsttherapiestudenten während ihrer Praxissemester in Nürtinger Schulen eingesetzt.

Die von der Stadt geschaffene Stelle der Kunsttherapeutin Anita Gremmelspacher soll im Rahmen des Modellvorhabens nun um 35 Prozent aufgestockt werden. Die Erweiterung soll es unter anderem ermöglichen, das Angebot auch auf die Kindertagesstätten auszuweiten. Der Bedarf wird gesehen. Experten beobachten, dass die Zahl der Mädchen und Jungen in akuten Krisen steigt – nicht erst im Schul-, sondern auch schon im Kindergartenalter. Erzieherinnen und Lehrer sehen sich häufig überfordert.

Entwicklungsstörungen soll vorgebeugt werden

Anita Gremmelspacher nennt Beispiele aus der Schulpraxis. Bei Todesfällen in der Familie ziehen sich manche Kinder zurück. Andere halten dem zunehmenden Leistungsdruck nicht stand, geraten in depressive Stimmungen oder werden aggressiv – anderen gegenüber oder aber auch, indem sie sich selbst verletzen. In Form eines Tandems mit Schulsozialarbeitern wird dann ausgelotet, wo die Gründe für ein auffälliges Verhalten liegen und wie dem am besten begegnet werden kann.

Bieten sich künstlerische Therapien an, so gibt es einen „Werkzeugkasten“ mit einem breiten Instrumentarium. Arbeiten mit Ton kommt ebenso zur Anwendung wie Malen, Sägen, Hämmern oder Steinbearbeitung. Die Kunsttherapie soll verhaltensauffällige Jungen und Mädchen möglichst früh auffangen, sie wieder stabilisieren und in die Gruppe integrieren. So soll auch verhindert werden, dass Kinder auf der Förderschule landen, nur weil Probleme nicht verstanden und nicht gezielt behandelt wurden. Letztlich soll durch eine rechtzeitige Intervention Entwicklungsstörungen und psychischen Erkrankungen entgegengewirkt werden.

Eine Anschlussfinanzierung ist noch nicht gesichert

Über die akute Einzelfalltherapie hinaus kommen künstlerische Therapien auch präventiv zur Anwendung. An der Nürtinger Braikeschule etwa ist das Präventionsprogramm seit vier Jahren Wirklichkeit. Laut dem HfWU-Professor Tobias Loemke ist es ein Ziel, das Präventionsmodell aufbauend auf den Nürtinger Erfahrungen in der Folge auch im Bildungsplan des Landes zu verankern.

Gibt der KVJS grünes Licht, dann ist das Modellvorhaben Fachdienst drei Jahre lang gesichert. Wie nach Ablauf der Projektlaufzeit eine Anschlussfinanzierung aussehen könnte, ist derzeit jedoch unklar. Mehrere Stadträte haben in der Ausschusssitzung erklärt, dass sie das Projekt zwar für sinnvoll halten, angesichts der prekären Haushaltslage der Stadt aber kaum einen finanziellen Spielraum sehen.