Die Sommerausstellung in der Kreuzkirche zeigt von Sonntag an Werke von Ulrich Klieber. Der Künstler hat bei seinen Reisen ins Reich der Mitte viele Freunde gewonnen. Deren Porträts sind nun erstmals öffentlich zu sehen.

Nürtingen - Ulrich Klieber reist gerne, und er liebt Geschichten. Mit jedem der Menschen, die der Künstler bei seinen zahlreichen Aufenthalten in China kennengelernt und anschließend porträtiert hat, verbindet ihn eine persönliche Geschichte. Die Bilder werden jetzt erstmals öffentlich in der Nürtinger Kreuzkirche gezeigt. „China.Friends.Tianjin“, lautet der bezeichnende Titel für die Ausstellung, die am Sonntag eröffnet wird.

 

In China haben die Menschen keine Scheu vor der Kamera

Gastprofessuren führten Ulrich Klieber in den vergangenen Jahren in die chinesischen Metropolen Tianjin und Shenyang. Bei seinen Aufenthalten im Reich der Mitte hat er viele Menschen kennengelernt, Freundschaften sind entstanden. Dass Chinesen im Allgemeinen nicht gerade fotoscheu sind, hat Klieber rasch erkannt. „In China haben sich Kollegen und Studenten immer ins Bild gestellt, sobald man irgendetwas fotografieren wollte“, sagt der gebürtige Göppinger.

Zurück in Deutschland, kam ihm bei der Sichtung seiner Fotoalben die Idee zu seinem Zyklus, an deren Verwirklichung er seit mittlerweile vier Jahren arbeitet. In seinem Atelier in Adelberg fertigte Klieber aus der Erinnerung oder anhand von Fotografien zunächst Skizzen an. „Am Besten arbeitet man mit einem ganz unscharfen Foto“, so die Erfahrung des Künstlers.

Manche Porträts sind karikierend, aber nie verletzend

Etwas mehr als lebensgroß sind die Acrylbilder geworden. Teils hat Ulrich Klieber die Porträtierten auf realistische Weise festgehalten, teils hat er ihnen aber auch karikative Züge verliehen. Unabhängig davon kommt in den Werken eines zum Ausdruck: „Es ist eine Sympathie spürbar, nie ist eine Darstellung verletzend“, sagt der Künstler. Selber ist Ulrich Klieber gespannt, welche Empfindungen seine Arbeiten in China auslösen werden. Denn im nächsten Jahr, so kündigt er an, soll die Reihe in Peking ausgestellt werden.

Derzeit arbeitet Ulrich Klieber an einem „Lehrbuch der modernen künstlerischen Lehre für China und in China“. Der Kunsttransfer ist indessen nicht als Einbahnstraße angelegt. Zehn chinesische Studenten gehen demnächst an die Kunsthochschule Halle, an der Ulrich Klieber lehrt. Und für September ist als Teil des künstlerischen Dialogs eine Ausstellung mit den Arbeiten von zehn chinesischen Künstlern in Geislingen vorgesehen. „Wandel durch Annäherung“ – diese einst von Egon Bahr in einem anderen historischen Kontext geprägte Formel lässt sich nach Kliebers Beobachtung derzeit in China beobachten. Dass die Kunstszene dabei als ein Katalysator wirkt, steht für den Kunstprofessor außer Frage.

Bald heißt es wieder „On The Road Again“

Seit zehn Jahren ist Ulrich Klieber nun immer wieder in China unterwegs, nächstes Jahr wird er in Peking unterrichten und auch in Tibet – ein Novum. Zu seinen bevorzugten Reisezielen gehört auch Vietnam. Wenn der 62-Jährige anschließend nach Deutschland zurückkehrt, dann sicher wieder mit einem Koffer voller Geschichten über Regionen und Menschen. Solche Geschichten zur Kunst hat Ulrich Klieber 2015 veröffentlicht. „On The Road Again“, lautet programmatisch der Titel der mit künstlerischen Abbildungen reich illustrierten Publikation.

Am 22. Juni liest der Künstler aus dem Buch „On The Road Again“

Künstler
Ulrich Klieber ist 1953 in Göppingen geboren. An der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart studierte er Malerei und Kunsterziehung. Seit 1985 als freischaffender Künstler tätig, erhielt er 1995 einen Lehrauftrag an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Von 2003 bis 2010 war er deren Rektor. Es folgten Professuren in Vietnam, China und Halle, wo er heute lebt und arbeitet. Als Teil seiner künstlerischen Tätigkeit hat Klieber auch zahlreiche Bücher und Schriften veröffentlicht.

Kreuzkirche
Die Ausstellungen in der Nürtinger Kreuzkirche beleuchten schwerpunktmäßig die zeitgenössische Kunst des süddeutschen Raums. Im Anschluss an Ulrich Klieber wird in der Kirche vom 23. Oktober bis zum 20. November Ralf Brauns Comic-Kunst zu sehen sein. Für Ulrich Klieber ist die aktuelle Ausstellung übrigens ein Wiedersehen mit Nürtingen. Schon einmal, vor nunmehr 27 Jahren, hat der Künstler mit „Covent Garden“ eine Ausstellung in der Nürtinger Kreuzkirche gehabt.

Ausstellung
Die Vernissage zu „China. Friends.Tianjin“ beginnt am Sonntag, 12. Juni, um 11 Uhr. Die Einführung zu den mehr als 100 überlebensgroßen Porträts und zum Werk Kliebers hält Helmut G. Schütz. Ausgestellt sind auch Skizzenbücher und Fotoalben. Die Ausstellung ist bis zum 10. Juli täglich von 10 bis 18 Uhr in der Kreuzkirche zu sehen. Am Mittwoch, 22. Juni, liest Klieber in der Kirche von 19 Uhr an aus seinem Buch „On The Road Again“, das Notizen zu seinen Auslandsaufenthalten und Begegnungen enthält.