Die Region muss noch entscheiden, ob sie weiter gegen die Anlage klagt. In Großbettlingen dagegen ist klar, dass Bürger und Verwaltung ihre Errichtung in der Nähe des Ortes ablehnen.

Nürtingen - Die Region soll keine Berufung einlegen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart zur geplanten Nürtinger Biogasanlage akzeptieren. Das empfiehlt der regionale Planungsausschuss des Verbands Region Stuttgart der Regionalversammlung. Das Gremium tagt am heutigen Mittwoch öffentlich im Stuttgarter Kongresszentrum Liederhalle.

 

Vor einem Monat entschied das Gericht, dass das Regierungspräsidium bei seiner Ausnahmegenehmigung Vor- und Nachteile angemessen abgewogen habe. Eigentlich dürfte wegen eines geschützten Grünzugs im Großbettlinger Gatter nicht gebaut werden. Vor dem Hintergrund der Energiewende und mangelnder Standortalternativen auf Nürtinger Markung hatte die Behörde für das gemeinsame Vorhaben der Stadtwerke Nürtingen und Refood jedoch grünes Licht gegeben.

Es gehe nicht um die Energiewende, kritisiert eine Initiative

Martin Fritz, der Bürgermeister von Großbettlingen, hofft, dass sich die Regionalversammlung entgegen der Empfehlung des Planungsausschusses doch an den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim wendet. Die Gemeinde lehnt die Biogasanlage nur wenige hundert Meter von ihrer Markungsgrenze ab. Großbettlingen befürchtet durch den Betrieb Geruchsbelästigungen, zudem wird mit einer erheblichen Verkehrszunahme gerechnet. „Die Anlage ist aus unserer Sicht durch das Urteil nicht besser geworden, der Standort ist der falsche“, bekräftigt Fritz.

Eine „Mogelpackung“ ist das Projekt in den Augen der Großbettlinger Bürgerinitiative gegen eine industrielle Speisereste-Vergärungsanlage am Standort Großbettlinger Gatter (Biss). „Verkauft wird sie als ökologisch sinnvoller Beitrag zur Energiewende.“ Dies sei jedoch Etikettenschwindel. Refood will künftig Speisereste und Essensabfälle aus einem Umkreis von 150 Kilometern einsammeln und nach Nürtingen transportieren. „Es handelt sich hier um eine reine Umverteilung des begehrten Inputs zulasten bestehender Anlagen“, folgert Biss. Tatsächlich gehe es bei der Anlage nicht um die Energiewende, sondern um den Profit, kritisiert die Initiative.

Geruchsbelästigungen sind laut den Stadtwerken „kein Thema“

Negative Auswirkungen auf seinen Betrieb durch eine Biogasanlage befürchtet der Inhaber des Rammerthofs, Gunther Henzler. Der Großbettlinger Unternehmer verkauft an der B 313 bei der Abzweigung nach Großbettlingen Lebensmittel, die er teils selbst anbaut. Frische und Qualität sind für ihn die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Die Stadtwerke Nürtingen betonen zwar, das Geruchsbelästigungen „kein Thema“ seien. Gunther Henzler sorgt sich dennoch, dass üble Gerüche beispielsweise Mücken anziehen könnten. In einem möglichen Genehmigungsverfahren würde der Rammerthofchef seine Einwände vorbringen. Ob er gegen eine Baugenehmigung klagen würde, lässt er zurzeit aber offen. Anders als die Region, besitzt die Gemeinde Großbettlingen kein Klagerecht. „Uns sind die Hände gebunden“, bedauert Martin Fritz. „Zum Rechtsstaat gehört, dass man ein Urteil akzeptiert“, fügt Fritz für den Fall hinzu, dass es keine Berufung gibt.

Speisereste aus dem Umkreis von 150 Kilometern

Anlage:
Die Biogasanlage soll pro Jahr 45 000 Tonnen Biomasse in Energie umwandeln. Lebensmittelabfälle, die die Firma Refood im Umkreis von 150 Kilometern einsammelt, werden zerkleinert, erhitzt und vergärt. Dabei entsteht Biogas, das in Erdgasqualität in eine nahe gelegene Leitung eingespeist wird. Damit wollen die Stadtwerke Nürtingen 20 Prozent des Gasbedarfs der Stadt decken.

Standort:
Die Biogasanlage benötigt 2,2 Hektar Fläche im Gewann Großbettlinger Gatter. Der erste Standort (siehe Grafik) lag im Wald und fand die Zustimmung der Region. Weil dort der geschützte Baumfalke zu Hause ist, schied die Fläche aber aus. Ein Areal auf der Kuppe lehnte die Region ab, auch nach einer Verschiebung hangabwärts bemängelte sie „erhebliche Beeinträchtigungen des Landschaftsbilds“. (dud)