Auf 130 Metern Länge ist eine alte Trockenmauer im Nürtinger Stadtteil Neckarhausen ausgebessert und teils neu aufgebaut worden. Dem Bauwerk misst der Umweltbeauftragte der Stadt große Bedeutung bei.
Vielen ist gar nicht klar, dass Trockenmauern für rund 100 Tierarten Heimat und Habitat sind. Vor allem Insekten, Schmetterlingslarven und Spinnen, aber auch wärmeliebende Tiere wie Zauneidechsen und Ringelnattern finden hier Schutz, erklärte der städtische Umweltbeauftragte Jochen Hildenbrand anlässlich der Instandsetzung einer besonderen Mauer in Nürtingen-Neckarhausen, die als ökologisches Ausgleichsprojekt für die künftige Nutzung des Gewerbegebiets Großer Forst II dient. Trockenmauern wie diese sind seit 2018 als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt.
Mit Blick auf die blaue Wand
Das naturnahe Bauwerk, das aufgrund der Konstruktion über einen 1,50 Meter tiefen Hinterbau verfügt, der als Lebensraum vieler Tierarten dient, ist in den vergangenen zwölf Monaten saniert worden. Die Mauer ist stattliche 130 Meter lang und befindet sich oberhalb der letzten Wohnstraßen von Neckarhausen auf dem Höhenzug, den viele Spaziergänger auf dem dortigen Besinnungsweg und dem Wildrosenlehrpfad auch für seinen Ausblick auf die blaue Wand schätzen, mit der die Schwäbische Alb gemeint ist. Die Mauer liegt an einem öffentlichen Weg etwas unterhalb der Wanderroute und führt an Freizeitgrundstücken und Streuobstwiesen entlang bis sie unterhalb des Hirschbrunnens endet.
Dieser Brunnen ist im Frühjahr ein beliebtes Laichgewässer für die dort vorkommenden Feuersalamander, wie Hildenbrand berichtet. Und wenn die Wiesen feucht sind wie in diesen Tagen, seien die eher nachtaktiven Tiere dort auch tagsüber unterwegs. Um den Bestand an Feuersalamandern zu stärken, ist bei der Mauersanierung übrigens eine spezielle Laichwanne eingebaut worden, die über den Hanggraben mit Wasser versorgt wird. Diese Wanne sei ein neuer Prototyp aus dem Badischen, wo sie auch als Laichplatz für die seltenen Gelbbauchunken dienen soll.
Ökologischer Ausgleich
Momentan versickert das Wasser allerdings noch in den Wiesen. Das könnte an der defekten Drainage liegen, wie ein Anlieger vermutet. Später soll das Wasser durch den neu angelegten Graben in das Tosbecken geleitet werden, das am Ende der Mauer angelegt wurde. Mit rund 255 000 Euro Kosten, die der Gewerbezweckverband Wirtschaftsraum Nürtingen trägt, handelt es sich um eine der größten ökologischen Ausgleichsprojekte in Nürtingen in den vergangenen Jahren. Damit soll die Entwicklung vom Großen Forst II ökologisch ausgeglichen werden. Nach Worten des Nürtinger Wirtschaftsförderers Christian Franz werden für das geplante 12,2 Hektar große Gewerbegebiet momentan die Unterlagen für die öffentliche Auslegung erstellt, und der Satzungsbeschluss sei für Sommer 2025 geplant.
Der Ortsvorsteher Felix Doll erinnerte an die Bauarbeiten an der Mauer, die sich wegen häufiger Regenfälle zeitweise als Schlammschlacht erwiesen hätten und durch die sogar Raupenfahrzeuge Mühe beim Durchkommen hatten. Vor der Sanierung hatte Starkregen in den Jahren 2020 und 2021 die Mauer in Mitleidenschaft gezogen, und der Weg sei abschnittsweise sogar verschüttet gewesen, erklärten die Beteiligten.
Vor einem Jahr begann der Rückbau der Mauerreste, von denen 42 Meter alte Substanz erhalten wurden. „Dadurch können die neuen Mauerteile schneller besiedelt werden“, erläuterte Hildenbrand die Strategie. Um die Mauer wieder in voller Länge zu ertüchtigen, mussten 135 Tonnen Steine neu verbaut werden, die aus dem Rückbau alter Mauern und Gebäudeabbrüchen stammen.
Weitere Beispiele
Diese Mauer im Gewann Veitenäcker zählt zu mehreren ähnlichen Instandsetzungsprojekten. In Kürze soll der zweite Abschnitt einer Trockenmauer in Oberensingen hergerichtet werden. Und bereits 2018 wurde wiederum in Neckarhausen eine 120 Meter lange Trockenmauer im Gewann Quätler saniert.