Kaum ist der Zapfhahn am Neckar zu, zieht der Ratschef ein überaus positives Resümee. Die Freie Kunstakademie als Hauptbetroffener jedoch hat unter dem Probebetrieb gelitten. Der Gemeinderat soll die Erfahrungen nun aufarbeiten.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Nürtingen - Der Biergarten auf dem Nürtinger Melchior-Areal ist abgebaut. Nun will die Stadtverwaltung die Erfahrungen aller Beteiligten einholen. Diese Bilanz des Probebetriebs soll dann dem Gemeinderat vorgestellt werden. Ungeachtet der noch ausstehenden Manöverkritik tut der Nürtinger Oberbürgermeister Otmar Heirich jedoch schon einmal vorab sein persönliches Fazit kund. In einer Pressemitteilung der Stadt lobt er den am 27. Mai begonnenen Biergartenbetrieb als „gelungenes Experiment“.

 

Zwar habe das Wetter in den vergangenen Wochen wenig Freude und Umsatz beschert. Dennoch sei der direkt neben dem Eingang der Freien Kunstakademie (FKN) angesiedelte Biergarten ein „Gewinn für die Stadt“ gewesen. „Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen von Einheimischen, aber auch von Gästen bekommen“, lässt Heirich verlauten. Mehrfach habe er sich selbst davon überzeugt, dass auch bei teilweise sehr großem Andrang bei der Übertragung von Spielen der Fußball-WM friedlich und unfallfrei gefeiert worden sei.

Hauptbetroffener des Biergartens ist die FKN gewesen. Der Wirt Robert Ruthenberg hatte seine Buden direkt vor den Eingang des von der FKN gemieteten Fabrikgebäudes platziert, die Toiletten für die Gäste und den Gang zur Bildhauerei als Lagerfläche in Anspruch genommen. Studenten und Dozenten hätten diesen Zustand als „Belagerung“ empfunden, erklärt Katrin Burtschell vom FKN-Vorstand auf Nachfrage. Der Biergarten habe den Ausbildungsbetrieb „massiv beeinträchtigt“, betont sie. Die von den Befürwortern des Biergartens angeführte Behauptung, der Biergarten werde der Akademie Zulauf bringen, habe sich nicht erfüllt. Wegen des Biergartens sei es unmöglich gewesen, kuratorisch gut zu arbeiten. „Künstler, die bei uns ausstellen wollten, sind abgesprungen“, erklärt der FKN-Vorstand.

Die Stadtverwaltung wolle nun das noch laufende Bauantragsverfahren des Biergartenbetreibers abschließen, erklärt Otmar Heirich weiter in seiner Mitteilung. Geklärt werde, ob sich der Platz als feste Lösung für einen Biergartens eigne. Allerdings gehe es auch hier nur um einen begrenzten Zeitraum. Denn über die langfristige Zukunft des Neckarufers werde der bereits beschlossene Ideenwettbewerb Westlicher Neckar entscheiden.

Belagerung der Freien Kunstakademie

Tatsächlich hat Robert Ruthenberg für den nun abgebauten Biergarten einen Bauantrag eingereicht. Dem Vernehmen nach ist dieser jedoch nicht genehmigungsfähig. Offenbar stellen unter anderem der Hochwasserschutz und der Brandschutz hohe Hürden dar. Um den Biergartenbetrieb zu retten, hatte der Oberbürgermeister eine bis Mitte Juli befristete Verfahrensfreiheit gewährt. Als Begründung dafür dienten dem Rathaus die Public-Viewing-Übertragungen der Fußball-WM auf einer Großleinwand des Biergartens.

Bereits im Frühjahr hatten sich die Genehmigungsschwierigkeiten abgezeichnet. Schon damals setzte sich Otmar Heirich intern sehr dafür ein, Ruthenberg, der ihn bei seiner Wiederwahl im Jahr 2011 unterstützt hatte, den Weg zu dem zuvor auch von einer klaren Mehrheit des Verwaltungsausschusses befürworteten vorübergehenden Biergarten zu ebnen. „Ich erwarte, dass unsere Verwaltung alles tut, um unbürokratisch eine schnelle Lösung zu finden, das Provisorium zu ermöglichen“, schrieb Heirich Anfang April in einer internen Mail. Ob dazu ein förmliches Baugenehmigungsverfahren erforderlich sei, erschien dem Nürtinger Oberbürgermeister damals „sehr fraglich“.

OB fordert „unbürokratische Lösung“