Eine 20-Jährige Akrobatin möchte bei einer Vorstellung ihrem Vater eine Freude machen – und verunglückt bei einem gewagten Auftritt.

Nürtingen - Seinen 54. Geburtstag wird Alexander Riedesel, der Chef des Circus Piccolo, nie vergessen. Der Zirkus gibt gerade ein Gastspiel auf dem Festplatz in Nürtingen-Oberensingen (Kreis Esslingen). Dort hat der Direktor am Dienstagnachmittag mit ansehen müssen, wie seine Tochter Alexandra aus fünf Meter Höhe vom Trapez gestürzt ist und schwer verletzt auf dem Manegenboden liegen blieb.

Normalerweise hätte die 20-Jährige die gefährliche Nummer, die zu dem Sturz führte, gar nicht gezeigt. "Sie hat das nur gemacht, um ihrem Vater eine Freude zu machen", erzählt Osan B., ein Bekannter der Zirkusfamilie. Für den Vater mache dieser Umstand das Unglück nur noch schrecklicher.

In der Regel sei die junge Frau mit einem Gurt abgesichert, wenn sie am Trapez auftrete, sagt B. Doch bei einigen Nummern sei der Gurt im Weg, denn es bestehe stets die Gefahr, dass sich die Künstlerin in der Sicherheitsleine des Gurtes verheddere. Das ist zum Beispiel bei der Übung "Die Fahne" der Fall, die Alexandra sonst nur am Wochenende vor ausverkauftem Haus als Höhepunkt ihrer Show vorführt. Am Dienstagnachmittag aber hatte die junge Frau entschieden, die Nummer zu Ehren ihres Vaters zu zeigen.

 
Plötzlicher Sturz in die Tiefe

Osan B. hat das Unglück miterlebt: Als sechste Nummer der 16-Uhr-Vorführung stieg Alexandra aufs Trapez. Als vorletzte Übung ging sie in die Waage: Sie saß auf der Hochschaukel, bog den Oberkörper ohne sich festzuhalten nach hinten, streckte die Beine kerzengerade nach vorne und hielt sich allein dank ihres trainierten Gleichgewichtssinns in der Höhe.

Von dieser Position aus griff sie mit der rechten Hand nach der linken Seite des Trapez und wollte in die Nummer übergehen, bei der sich der Körper wie eine Fahne vom Trapez wegstreckt. Ob sie dabei ins Leere gegriffen hat oder ihre Kräfte versagten, weiß niemand. Auf alle Fälle stürzte sie plötzlich in die Tiefe.

Ältere Schwester springt ein

"Wir wissen nicht, wie das geschehen konnte", sagt Osan B. Auch die Artistin selber habe keine Erklärung. Die Familie habe inzwischen im Krankenhaus mit ihr reden können, doch sie habe keine Erinnerung an den Sturz, bei dem sie sich das Handgelenk gebrochen, mehrere Sehnen gerissen und die Hüfte ausgekugelt hat. Die Zirkusleute sind erleichtert, dass die junge Frau wieder gesund werden und keine dauerhaften Schäden davontragen wird. Ihr Gastspiel in Oberensingen wollen sie schon am Donnerstagabend fortsetzen.

Für die verunglückte Alexandra wird nun ihre ältere Schwester einspringen. Sie hatte noch in der Unglücksnacht ein Engagement bei Köln abgesagt und war von dort aus nach Nürtingen gereist. Auch in Nürtingen haben viele Bürger mit Erleichterung auf die beruhigenden Neuigkeiten aus dem Krankenhaus reagiert. Der Zirkus ist dort wohlbekannt, denn er kommt bereits seit sieben Jahren in der Weihnachtszeit in die Stadt.

"Viele Bürger sind abends, nachdem wir die Vorstellung abgebrochen hatten, nochmal vorbeigekommen und haben Blumensträuße und Karten für Alexandra gebracht", erzählt B. Auch gestern seien bereits einige Nürtinger da gewesen und hätten sich nach dem Befinden der verletzten Artistin erkundigt.