Die Gedenkinitiative für die Opfer der NS-Herrschaft erinnert an die Pazifistin Paula Planck.

Nürtingen - Sieben Mal hat die Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus in Nürtingen bereits Einzelschicksale von Verfolgten vorgestellt. In allen diesen Fällen überlebten die Opfer die Verfolgung durch die Nazis nicht. Insofern unterscheidet sich Paula Planck, deren Geschichte die Initiative am „Denkort“ vor der Nürtinger Kreuzkirche jetzt als Nummer acht vorstellt, von anderen Opfern. Denn Paula Planck, Pazifistin, Sozialdemokratin und erste Frau im Nürtinger Gemeinderat, kehrte im Juni 1933 aus dem Frauenkonzentrationslager wieder zurück.

 

Paula Planck gerät in die erste Verhaftungswelle der Nazis

Einen genauen Anlass, weshalb Paula Planck verhaftet und am 11. April ins Lager Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd gebracht worden ist, haben deren Enkelin Annette Planck und Raya Fraenkel bei ihren Recherchen für die Gedenkinitiative nicht herausgefunden. Klar aber ist, dass die damals 54-Jährige den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge war. Denn die Pazifistin und Vorsitzende der Nürtinger Gruppe der Deutschen Friedensgesellschaft war es gewohnt, ihre Meinung frei zu äußern, und sie ließ sich den Mund nicht verbieten.

„Wenn es etwas durchzukämpfen gab, stand sie hin. Sie war unvoreingenommen, konnte aber höchst angriffslustig und sarkastisch werden, wo sie Ungerechtigkeit, Scheinheiligkeit und Egoismus am Werk sah. Bedingungslos stellte sie sich dann auf die Seite der Benachteiligten“, beschreiben die beiden Autorinnen der Gedenkinitiative Paula Plancks Charakter. Dennoch sei sie nach ihrer Rückkehr von Gotteszell vorsichtiger geworden. Die streitbare Nürtingerin, die dort 1919 als erste Frau in den Gemeinderat gewählt worden war, wusste, dass sie unter Beobachtung der Nazis stand. Bei aller Vorsicht wäre Paula Planck wegen einer unbedachten Äußerung 1939 jedoch fast erneut verhaftet worden.

Engagement in der Flüchtlingshilfe

Paula Planck überlebte die NS-Herrschaft und half beim Wiederaufbau. Anfang 1946 schaffte die Sozialdemokratin im Alter von 67 Jahren erneut den Sprung in den Gemeinderat und engagierte sich unter anderem in der Flüchtlingshilfe. Auch zum Aufbau einer Leihbücherei gab sie den Anstoß. Im Alter von 74 Jahren starb die gebürtige Stuttgarterin schließlich am 25. August 1953 in Nürtingen.

Der sechswöchige Wechsel zeigt die Vielfalt des Grauens

Initiative
Seit fünf Jahren trägt die Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus die Schicksale von Menschen zusammen, die in Nürtingen und der Umgebung während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft verfolgt worden sind und ihr Leben lassen mussten. „Sie dürfen nicht umsonst gestorben sein“, lautet die Mahnung, die gleichzeitig eine Aufforderung an nachfolgende Generationen ist, die Zukunft im Sinne der demokratischen Grundordnung zu gestalten.

Denkort
Die Gedenktafel vor der Kreuzkirche und damit im Zentrum der Stadt Nürtingen wird im etwa sechswöchigen Wechsel neu bestückt. So werden anhand unterschiedlicher Einzelschicksale die verschiedenen Facetten des Grauens dargestellt.