Der Tagestreff Nürtingen richtet ein Haus in Oberensingen ein. Dort erhalten acht von Armut betroffene Menschen eine neue Lebensperspektive.

Nürtingen - Im Frühjahr hat der Nürtinger Tagestreff ein Wohnhaus im Stadtteil Oberensingen gekauft. Möglichst rasch sollen jetzt die Handwerker mit den Arbeiten im Inneren beginnen. In dem Haus werden künftig acht Menschen mit sozialen Schwierigkeiten wohnen können. Fachkräfte der Sozialen Arbeit unterstützen sie dabei, persönlich und gesellschaftlich wieder Fuß zu fassen und eine neue Lebensperspektive zu entwickeln. Im Erdgeschoss gibt es außerdem einen Notübernachtungsplatz. Zudem wird ein Mitarbeiterbüro in dem Haus eingerichtet.

 

Hilfsbedürftige sollen nicht in Vergessenheit geraten

Über mehrere Jahre hinweg hat der Freundeskreis des Tagestreffs Spenden gesammelt, um das Projekt zu verwirklichen. Maßgeblich zum Gelingen beigetragen hat schließlich eine Spende des Rotary Clubs Nürtingen-Kirchheim in Höhe von 80 000 Euro. „Bei so einer starken Unterstützung von außen war es eine Verpflichtung für die Evangelischen Gesellschaft (eva), das Projekt zu realisieren“, sagte Jürgen Armbruster vom eva-Vorstand. Die eva mit Sitz in Stuttgart, die den Kauf der Immobilie durch Eigenmittel ergänzt hat, ist die Trägerin des Nürtinger Tagestreffs.

„Uns war es ein großes Anliegen, an der Situation wohnungsloser Menschen in Nürtingen konkret etwas zu verbessern“, so der Rotarier-Präsident Rolf-Michael Müller. Angestoßen vom damaligen Clubpräsidenten und früheren Köngener Bürgermeister Hans Weil begleitet der Rotary Club Nürtingen-Kirchheim das Projekt seit gut drei Jahren. „2015 haben viele Menschen für die akute Flüchtlingshilfe gespendet“, sagt Weil. „Wir hatten Sorge, dass darüber andere hilfsbedürftige Menschen vergessen werden. Deshalb haben wir uns auf die Hilfe für Obdachlose in unserer Region festgelegt.“

Ganz unten – in einem vermüllten Kellerloch ohne Wasser

„Wir freuen uns sehr über das Engagement des Rotary Clubs“, sagte der eva-Vorstandsvorsitzende Heinz Gerstlauer. „Sie helfen hier nachhaltig und übernehmen Verantwortung für die, die gestrauchelt sind.“ Und Gestrauchelte gibt es viele. Nadine Reibert, Sozialarbeiterin beim Tagestreff, nennt das Beispiel eines Mannes, der unter den künftigen Bewohnern des neuen Wohnprojekts sein wird. Er ist Mitte 30 und regelmäßig im Tagestreff zu Gast. Der Mann wohne derzeit in einem „Kellerloch“ – vermüllt, keine Dusche, kein Wasser. Der psychisch erkrankte Mann habe eine Computer-Spielsucht und lebe von Hartz IV. Insgesamt sei bei ihm „einiges aus den Fugen“, so Nadine Reibert.

Ihm soll ebenso geholfen werden wie einem 20-Jährigen, der vor drei Jahren aus dem Elternhaus flog. Seither sei er „mehr oder weniger obdachlos“, schildert Harald Held von der Fachberatungsstelle Wohnungslosenhilfe die Situation des Betroffenen. Der junge Mann habe kein Geld und keinen Personalausweis. „Da sind ganz viele Baustellen. Sie wollen, aber sie schaffen es nicht“, beschreibt Harald Held den Unterstützungsbedarf vieler Bedürftiger.

Anlaufstelle für Menschen in Armut und Wohnungsnot

Der Tagestreff Nürtingen ist eine niederschwellige Anlaufstelle für Menschen, die in Armut und Wohnungsnot leben. Viele sind arbeitslos und gesundheitlich angeschlagen. Im Tagestreff können sie Freizeitangebote nutzen, mit anderen ins Gespräch kommen, Wäsche waschen und duschen. An die Tagesstätte angeschlossen ist eine Fachberatung. Über das neue Wohnprojekt sagt die eva-Abteilungsleiterin Iris Maier-Strecker: „Die Freude bei allen Beteiligten ist riesig, dass dieses Vorhaben jetzt endlich verwirklicht werden kann.“