Zufällig ausgewählte Bürger geben eine Empfehlung für das Nürtinger Neckarufer ab. Es hagelt Kritik. Die Bürgerinitiative mutmaßt, dass die umstrittenen Hotelpläne auf Umwegen durchgesetzt werden soll.
Nürtingen - Fritz Eisele, der Sprecher der Bürgerinitiative (BI) Nürtingen am Neckar, ist entsetzt. „Das ist ja noch schlimmer als vorher“, sagt der Vertrauensmann der Initiative über eine Gestaltungsempfehlung für das Nürtinger Neckarufer, auf die sich jetzt 16 per Zufallsverfahren ausgewählte Bürger in einem Beteiligungsprozess verständigt haben. Fritz Eisele spricht damit die inzwischen auf Eis gelegten Hotelpläne an. Der Reutlinger Investor Hans-Joachim Neveling stand bereit, auf städtischen Flächen zwischen der Freien Kunstakademie und der Stadtbrücke ein Drei-Sterne-Hotel zu bauen. Nach heftigen Protesten in der Bevölkerung, die in ein Bürgerbegehren mündeten, wurde das Verfahren unterbrochen und die jetzt abgeschlossene Bürgerbeteiligung in Gang gesetzt.
Neuer Stadteingang an der Kunstakademie geplant
Die Empfehlung sieht zur B 313 hin, die Nürtingen vierspurig durchzieht, zwei Häuser und einen quer zur Freien Kunstakademie (FKN) liegenden L-förmigen Gebäuderiegel vor. Die angedachten Neubauten sollen mehrere Funktionen erfüllen: Sie dienen als Lärm- und als Hochwasserschutz und sollen laut dem Architekten Mathias Hähnig im Ensemble mit den Bestandsgebäuden – die Fabrik der FKN sowie den Villen Melchior und Otto – einen neuen, einladenden Stadteingang bilden.
Für das Bürgerbeteiligungsverfahren holte das Nürtinger Rathaus mit dem Tübinger Büro Hähnig-Gemmeke die Sieger aus dem städtebaulichen Ideenwettbewerb westlicher Neckar zurück aufs Spielfeld. Das Büro hatte vor rund drei Jahren einen die Jury überzeugenden Vorschlag für den gesamten Bereich einschließlich des Grundstücks zwischen der FKN und der Fischtreppe vorgelegt. Das Team von Mathias Hähnig hatte nun die Aufgabe, die in der ersten Beteiligungsrunde vor einigen Wochen gemachten Vorschläge für das, so Mathias Hähnig, „Filetstück“ in eine Planskizze zu fassen. Das Ergebnis ist ein Modell mit vier Varianten, die von der BI aber allesamt abgelehnt werden.
Ein Bau in dieser Größe soll verhindert werden
Die Kritik an der favorisierten Variante entzündet sich an dem L-förmigen Gebäude. Fritz Eisele fragt sich, warum Hähnig nicht bei seinem Siegerentwurf geblieben ist, der auf das querliegende Gebäude zum Neckar hin verzichtete. Fritz Eisele erkennt in diesem Gebäude das Hotel, von dem er vermutet, dass Hans-Joachim Neveling und der Nürtinger Oberbürgermeister es auf diesem Umweg doch noch zu verwirklichen suchen. „Das muss mit allen Mitteln verhindert werden“, sagt Eisele, der das ganze Verfahren für „verlogen und in eine Richtung manipuliert“ hält.
Das von Neveling geplante Hotel mit Biergarten wurde als zu groß abgelehnt. Es lasse zu wenig öffentlich zugängliche Freiflächen am Neckarufer übrig und sei auch architektonisch an dieser städtebaulich sensiblen Stelle kein Glanzlicht, so die Kritik. Schließlich formierte sich eine Bürgerinitiative, die 4701 Unterschriften gegen das Projekt sammelte.
Initiative fordert Festhalten am Siegerentwurf
Die Empfehlung aus dem Beteiligungsverfahren soll nun dem Gemeinderat als Basis für die weiteren Beratungen dienen. Die BI fordert indessen, den ursprünglichen Siegerentwurf des Ideenwettbewerbs weiterzuverfolgen. Außerdem ist sie dafür, den Bereich bei der Fischtreppe nicht isoliert zu sehen, sondern in die Bewerbung Nürtingens um die Landesgartenschau einzubinden. Nach der gescheiterten Bewerbung vor neun Jahren will die Hölderlinstadt nun einen zweiten Anlauf nehmen.