Jan Böhmermann hat den Nürtinger Bahnhof in seiner jüngsten Sendung mit einer „Fressnapf“-Filiale“ verglichen. Oberbürgermeister Johannes Fridrich will das nicht auf sich sitzen lassen. Das steht in seinem offenen Brief an den ZDF-Satiriker.

Region: Corinna Meinke (com)

Wahrscheinlich ist Harald Schmidt an allem schuld. Im Jahr 2001 widmete der Kabarettist eine ganze Folge der bei Sat 1 ausgestrahlten Harald- Schmidt-Show seiner Heimatstadt Nürtingen. Mit dem Zeigestock in der Hand persiflierte der Entertainer das Leben in der schwäbischen Heimatstadt. Im Mittelpunkt stand eine Miniatureisenbahnanlage samt detailgetreu nachgebautem Bahnhof, auf dessen Gleisen Spielzeugeisenbahnen umher sausten.

 

„Genau hier begann meine Karriere im Showbusiness“, witzelte Schmidt in schönstem Honoratiorenschwäbisch und zeigte auf den Bahnsteig Richtung Stuttgart.

Die Bahn und ihre Bahnhöfe fest im Visier

Gut 20 Jahre später holte nun der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann in seiner jüngsten Freitagabend-Show ZDF Magazin Royale zum Deutsche-Bahn-Bashing aus. Dabei bekam auch der Nürtinger Bahnhof sein Fett ab. „So sehen Bahnhöfe aus, der deutsche Provinzbahnhof ist zu einem Angstort geworden“, behauptete der Entertainer und alberte mehr oder weniger sinnfrei über das Aussehen des eingeblendeten Nürtinger Bahnhofs, den der Norddeutsche mit einer „Fressnapffiliale“ verglich, „wo irgendwann mal die Hamster die Geschäftsführung übernommen haben“.

Gut möglich, dass jemand in Böhmermanns Redaktion zufällig im Archiv über den Schmidtschen Beitrag gestolpert ist, meint der Nürtinger Oberbürgermeister Johannes Fridrich, der den wenig freundlichen Vergleich postwendend auf Facebook und auf Instagram mit einem offenen Brief konterte. Ansonsten kann sich auch der nimmermüde Verfechter der Nürtinger Interessen keinen Reim darauf machen, warum ausgerechnet seine Stadt zu der fragwürdigen Ehre gekommen ist, für einen flauen Gag herhalten zu müssen. Spätestens seit seinem Wahlkampf ist der 2019 zum Stadtoberhaupt gewählte Fridrich als Hans Dampf in allen Gassen und auf allen digitalen Kanälen bekannt. Neben einer digitalen Sprechstunde versorgt der 44-Jährige über die sozialen Medien das weltweite Netz regelmäßig mit Neuigkeiten aus den Neckarstadt. Und da spielt auch der lange Zeit vernachlässigte Bahnhof immer wieder eine Rolle.

Der OB funkt auf allen Kanälen

Bei einem der letzten medienwirksamen Einsätzen dort sah man Johannes Fridrich mit der Malerrolle in der Hand. Zusammen mit den Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Nürtingen wollte er zeigen, dass es bei der immer noch im Windschatten von Stuttgart 21 ausharrenden potenziellen Verkehrsdrehscheibe, die erst nach Fertigstellung des Stuttgarter Jahrhundertprojekts an das S-Bahnnetz angeschlossen wird, wenigstens äußerlich voran geht.

„Trendstadt“ am Neckar

Auch in seinem offenen Brief an Jan Böhmermann erinnert Fridrich an das Modernisierungsprogramm der Bahn, das dem Nürtinger Bahnhof nicht nur zu einem neuen Anstrich, sondern auch zu einer Mobilitätszentrale samt Videoschalter verholfen hat. Und Fridrich wäre nicht Fridrich, würde er nicht die Gelegenheit zu einem Rundumschlag nutzen, in dem er die Nürtinger Vorzüge aufzählt und seinen Wirkungsort augenzwinkernd zur „Trendstadt in der Metropolregion Stuttgart“ erklärt. Von der Stadtkirche übers im Umbau befindliche Hölderlinhaus bis zur autofreien Flaniermeile „Stadtbalkon“ am Neckar zählt Friedrich die Sehenswürdigkeiten der Kommune auf, die auch mit einem Discgolfparcours und einer Calisthenics-Anlage punkten könne.

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Im übrigen könne Böhmermann seinen Fauxpas mit einem Besuch des Nürtinger Maientags wieder gut machen, lockt der Oberbürgermeister: „Ich hole dich auch am Bahnhof ab – nimm aber dort nicht den Aufzug, der ist meistens kaputt, und lass dich nicht von den Hamstern auffressen“, witzelt er unter dem Beifall von rund 700 erhobenen Daumen weiter.