Neue Entwicklungen in der Motorentechnik eröffnen auch dem Nürtinger Werkzeugmaschinenbauer Heller weiteres Umsatzpotenzial. Und warum Heller einen Lieferanten aus der Insolvenz rettet.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Nürtingen - Der Nürtinger Werkzeugmaschinenbauer, der mit dem Verbrennungsmotor groß geworden ist, will auch bei der Mobilität der Zukunft eine gewichtige Rolle spielen. „Wird der Verbrenner durch den E-Motor ersetzt, kann es dazu führen, dass nur noch ein Viertel der Maschinen benötigt wird, weil weniger und nicht mehr so anspruchsvolle Teile produziert werden müssen“, sagt Heller-Chef Klaus Winkler. Dennoch wird ihm nicht bang. Zum einen sieht er den Verbrenner noch lange nicht am Ende, zum anderen verkauft Heller auch Maschinen, die zur Herstellung von Fahrzeugteilen abseits des Antriebs beziehungsweise außerhalb der Autobranche benötigt werden.

 

Winkler ist überzeugt, dass in der näheren Zukunft eine Kombination aus kleiner werdenden Verbrennungsmotoren und Elektroantrieb gefragt sein wird. Da wiederum seien mehr Maschinen zur Bearbeitung nötig, weil die Teile – man denke nur mal an das Getriebe – komplexer seien. Interessant sind für Heller auch weitere Verbesserungen am Verbrennungsmotor.

Spezielle Beschichtung

Die Nürtinger haben eine neue Maschinengeneration entwickelt, die gusseiserne Zylinderbuchsen in Motorblöcken überflüssig macht. Statt Guss ist Leichtmetall im Einsatz, wobei die Heller-Werkzeugmaschinen die Zylinderlaufbahnen mit einer speziellen Beschichtung überziehen, sodass die Zylinder besser auf- und abgleiten. Die Motoren werden kompakter, Treibstoffverbrauch und Emissionen sinken. Die neue Technologie kommt auch beim Motorenprojekt von Daimler zum Einsatz. „Ein spannender Auftrag“, wie Winkler sagt. Ein Großteil davon fertigt Daimler im neuen Werk in Polen. Mit der Beschichtung gewinne man rund zehn Prozent Weltmarktanteil bei der Motorenproduktion, freut sich Winkler. Diese Beschichtung mit Heller-Maschinen setzen auch Nissan und Renault ein; die Technologie ist seit vier Jahren am Markt.

Heller ist gut gepolstert ins laufende Jahr gestartet. 2017 erreichte der Auftragseingang 612,8 Millionen Euro, was einem Plus von knapp zehn Prozent und dem höchsten Wert der Firmengeschichte entspricht. „Das ist eine gute Basis für 2018 und sorgt für eine gute Planbarkeit 2019“, sagt Winkler. Der weit über Plan liegende Auftragseingang ging vor allem auf ein starkes Projektgeschäft zurück. Das Projektgeschäft vor allem mit Kunden aus der Automobilbranche macht mehr als 50 Prozent des Geschäftsvolumens aus. „Europa hat eine Renaissance erlebt“, wie Winkler sagt. Der Anteil erreichte 64 (Vorjahr: 56) Prozent. Unverändert stark war Asien (23 Prozent), vor allem China. Nord- und Südamerika kommen auf 13 (nach 20) Prozent.

Unwägbarkeiten sieht Winkler etwa durch den Brexit. Heller produziert mit rund 150 Mitarbeitern in Großbritannien – dem einst zweitgrößten Absatzmarkt – Maschinen, die für den Export bestimmt sind. Auch die EU-Sanktionen gegen Russland spürt Heller. Es werde immer schwieriger Ausfuhrgenehmigungen zu bekommen.

1700 Mitarbeiter am Stammsitz Nürtingen

Der Werkzeugmaschinenbauer, der rund 80 Prozent der rund 2600 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt – etwa 1700 am Stammsitz Nürtingen – macht nur etwa 30 Prozent des Umsatzes im Inland. 2017 stieg der Umsatz um rund sieben Prozent auf fast 578 Millionen Euro und lag um fast 18 Millionen Euro über Plan. Der Umsatzmix – ein verbessertes Einzelmaschinengeschäft, Verkauf von Kurbelwellenmaschinen, Beschichtungsprojekte und der Umbau von Produktionssystemen – habe auch die Ertragskraft verbessert. Absolute Zahlen nennt der Mittelständler nicht.

Für 2018 gibt sich Winkler optimistisch. Er rechnet mit moderatem Wachstum und guter Auslastung. Themen seien unter anderem leichtere Werkstoffe, Digitalisierung einhergehend mit erweiterten Servicemöglichkeiten und Datensicherheit. Auch setzt Heller nicht mehr nur auf den Verkauf von Maschinen, sondern auf ein Nutzungsmodell: Kunden zahlen nur für die Nutzung der Maschine und vermeiden Fixkosten. Damit wird für Heller auch der Gebrauchtmaschinenmarkt interessanter.

Um die Lieferkette sicherzustellen, übernimmt Heller zum 1. Juni 2018 die insolvente Paatz Viernau GmbH mit Sitz in Thüringen – ein Spezialist für die Herstellung von Bohrköpfen und Mehrspindelköpfen mit 125 Mitarbeitern und ein wichtiger Lieferant für Heller. Der Beschaffungsmarkt sei eng, heißt es bei Heller. Damit werde das seit einem Jahr laufende Insolvenzverfahren bei Paatz beendet und die Weiterführung der Firma sichergestellt.