Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, sieht die große Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation – auch mit Nuklearwaffen. Ein neuer atomarer Rüstungswettlauf sei bereits in vollem Gange.

Politik/Baden-Württemberg: Rainer Pörtner (pö)

Berlin - Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat vor einem nuklearen Schlagabtausch zwischen Russland und den USA gewarnt. „Es gibt große Gefahren“, sagte Ischinger unserer Zeitung. Diese lägen „weniger in einer beabsichtigten atomaren Konfrontation als in einer unbeabsichtigten Eskalation“. Es sei ein dramatischer Vertrauensverlust zwischen Washington und Moskau zu beobachten, betonte Ischinger. „Zudem gibt es Krisen wie in der Ukraine, in Libyen und Syrien, und die Konflikte mit Iran und Nordkorea, aus denen heraus sich eine Zuspitzung ergeben kann.“

 

Laut Ischinger ist ein neuer atomarer Rüstungswettlauf der beiden Großmächte in vollem Gange. „Es ist fast so, als würden sich die Zeiten wiederholen“, erklärte der frühere Staatssekretär im Auswärtigen Amt. In den 1980er Jahren habe Washington begonnen, die damalige Sowjetunion praktisch tot zu rüsten. Das habe auch funktioniert. „In der Trump-Administration werden solche Überlegungen heute wieder angestellt.“ Die USA wollen bis zum Jahr 2026 rund 400 Milliarden Dollar für die Modernisierung ihrer Nuklearwaffen ausgeben.

Abrüstungsverträge „schwer unter Beschuss“

Die Europäer müssten jetzt in Moskau und Washington auf die Einhaltung und die Verlängerung bestehender Rüstungskontrollabkommen pochen. Der sogenannte INF-Vertrag, mit dem Ende der 1980er Jahre der Bau und die Stationierung von Mittelstreckenraketen unterbunden wurde, sei bereits „schwer unter Beschuss“. Die USA und Russland würden sich gegenseitig Verstöße vorwerfen. „Ich will mir gar nicht ausmalen, was geschieht, wenn dieser Vertrag hinfällig würde und uns dann vielleicht eine neue Debatte über neue nukleare Mittelstreckensysteme in Europa bevorstehen könnte. Das hielten wir politisch nicht aus, fürchte ich“, sagte Ischinger.