Merkel lobt die „exzellente Zusammenarbeit“, stationäre Grenzkontrollen jedoch sind vom Tisch. Innenpolitiker der Union hatten das gefordert.

Berlin - Ein Durchwinken gibt es zur Freude der deutschen Bundesregierung in der Schweiz nicht. Aus Italien einreisende Flüchtlinge, die am Tessiner Grenzbahnhof Chiasso ankommen oder von Polizeitrupps auf Streife in den Zugwaggons entdeckt werden, dürfen nur dann Asyl beantragen, wenn sie ausdrücklich in die Schweiz wollen. Wer Deutschland, Frankreich oder Schweden als Reiseziel angibt, wird wieder zurückgeschickt. Für diese vergleichsweise strikte Handhabung des europäischen Dublin-Verfahrens – eigentlich müssten alle in das EU-Erstaufnahmeland Italien zurück – ist schon vor dem Besuch des Schweizer Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann am Mittwoch in Berlin viel Lob zu hören gewesen.

 

Kanzlerin Merkel sprach nach ihrem Gespräch mit dem obersten Eidgenossen denn auch davon, dass „die grenzpolizeiliche Zusammenarbeit exzellent funktioniert“. Die Schweiz halte dabei trotz der „Schwächen“ im System die europäischen Regeln „mit großem Erfolg“ ein.

Dass Schneider-Ammans Visite gleichwohl eine gewisse Brisanz beigemessen wurde, lag nicht nur am ohnehin schwierigen Schweizer Verhältnis zur Europäischen Union, das nach dem Ergebnis der „Masseneinwanderungsinitiative“ zur Begrenzung der Freizügigkeit von EU-Bürgern auf eine neue Basis gestellt werden muss. Handlungsbedarf gibt es auch in der Flüchtlingspolitik selbst.

Die Zahl der über Italien und die Schweiz nach Deutschland kommenden Flüchtlinge ist in diesem Jahr deutlich gestiegen ist. Die Migranten beantragen zwar Asyl in der Schweiz, versuchen aber während des laufenden Verfahrens vermehrt in die Bundesrepublik zu gelangen. Rund 5200 unerlaubte Einreisen hat das Bundesinnenministerium bis September gezählt – mehr als doppelt so viele wie im entsprechenden Vorjahreszeitraum, Tendenz steigend. „Zuletzt haben wir an der deutsch-schweizerischen Grenze monatlich rund 1000 unerlaubte Einreisen festgestellt“, sagte Minister Thomas de Maizière kürzlich: „Das sind zu viele!“

Stationäre Grenzkontrollen sind vom Tisch

Aus der Union war deshalb schon kurz nach den Sommerferien der Ruf nach der Rückkehr zu stationären Grenzkontrollen gekommen. Diese sind seit diesem Mittwoch jedoch erst einmal vom Tisch, da die Forderung mehrerer Innenpolitiker von CDU und CSU auf höchster Ebene gar nicht aufgegriffen wurde. „Über eine Verschärfung der geltenden Regeln wurde nicht gesprochen“, hieß es aus Merkels Umfeld. Lieber wurde „das gute Verhältnis der beiden Innenminister“ betont, die nach Ansicht von Merkel und Schneider-Amman schon das Notwendige tun.

Statt klassischer Grenzkontrollen soll mehr von der bereits eingesetzten Medizin verabreicht werden, „um die irreguläre Weiterwanderung in Europa zu stoppen“, wie es in einem Aktionsplan heißt, auf den sich de Maizière vor drei Wochen mit seiner Schweizer Kollegin Simonetta Sommaruga verständigt hat. Konkret sollen die gemeinsame Patrouillen im grenzüberschreitenden Zugverkehr und gemeinsame Schwerpunktfahndungen ausgebaut werden. „Durch gemeinsame Streifen auf schweizerischem Hoheitsgebiet konnte die Bundespolizei zusammen mit dem schweizerischen Grenzwachtkorps von Juni bis Oktober 2016 bereits rund 1000 unerlaubte Einreisen nach Deutschland verhindern“, rechnet das Bundesinnenministerium vor.

Zum nachgelagerten Grenzschutz soll nun auch gehören, dass deutsche und Schweizer Bundespolizisten gemeinsam auf Inlandsverbindungen in Richtung Grenze mehr Präsenz zeigen. Die Einsatzzentralen dafür, angesiedelt in Basel beziehungsweise Konstanz, werden personell verstärkt. Der deutsch-schweizerische Polizeivertrag soll so neu gefasst werden, damit auch deutsche Polizisten in der Schweiz und umgekehrt selbstständig aktiv werden können. „Mit der Umsetzung dieser Maßnahmen“, verkündet das Innenministerium, „werden wir sofort beginnen.“

Der Lörracher CDU-Bundestagsabgeordnete Armin Schuster, der neben anderen die Forderung nach Grenzkontrollen erhoben hatte, will nun erst einmal abwarten, ob der Aktionsplan seinen Zweck erfüllt. Zusammen mit seinem CSU-Kollegen Stephan Mayer will er sich an diesem Donnerstag vor Ort ein Bild machen. „Die Notwendigkeit permanenter Grenzkontrollen wie an der Grenze zu Österreich“, sagte er dieser Zeitung, „bleibt für mich dennoch die entscheidende Methode, wenn die Zahl illegaler Grenzübertritte hoch bleibt.“