Nutztierhaltung und Coronakrise Mindestpreis für Fleisch ist denkbar
Am nächsten Freitag entscheidet der Bundesrat über einen Antrag aus Baden-Württemberg. Die Krise der Schweinehalter dauert an.
Am nächsten Freitag entscheidet der Bundesrat über einen Antrag aus Baden-Württemberg. Die Krise der Schweinehalter dauert an.
Stuttgart - Es ist kein schönes Wort, aber der Begriff beschreibt ganz gut, was sich während der Coronakrise in der Nutztierhaltung ereignet hat: Es kam zu einem „Schweinestau“, da Schlachthöfe wie Tönnies zeitweise schließen mussten und da kaum noch Fleisch ins Ausland geliefert werden konnte; letzteres liegt auch an der Afrikanischen Schweinepest in Europa. So baute sich ein Überangebot von teils mehr als einer Million Schweinen in Deutschland auf, für die es keinen Abnehmer gab. Die Halter bekamen zuletzt nur noch rund 1,20 Euro pro Kilo Schlachtgewicht; das ist der niedrigste Preis seit Jahren. Erst in den letzten Tagen hat der Preis wieder leicht angezogen – die Krise dauert an, nur der Talgrund scheint durchschritten.
Angesichts der großen Probleme haben Michaela Kaniber (CSU), Agrarministerin in Bayern und Peter Hauk (CDU), deren Amtskollege in Baden-Württemberg, nun am Freitag mit führenden Unternehmen des süddeutschen Lebensmitteleinzelhandels diskutiert, wie man die regionale Fleischversorgung langfristig auf sichere Füße stellen könnte. Denn hinter dem Brandbeschleuniger Corona lodert ja seit Jahren ein strukturelles Feuer – immer mehr Landwirte scheuen angesichts stark schwankender Einkünfte notwendige Investitionen und geben auf. Allein seit 2016 haben in Baden-Württemberg 400 von damals 2400 Schweinehaltern die Ställe dicht gemacht. Das könne nicht im Interesse des Handels sein, so Peter Hauk; schon jetzt liege der Selbstversorgungsgrad bei Fleisch im Südwesten nur noch bei 50 Prozent.
Konkrete Zusagen machte der Einzelhandel in diesem Gespräch nicht, das räumten die zwei Minister anschließend ein. Dennoch sprach Kaniber von „kaum einem schöneren Tag“, weil die Vertreter von sich aus angeboten hätten, grundsätzliche Gespräche mit den Erzeugern führen zu wollen. „Die Zeit ist deshalb vorbei, mit dem Finger auf den Einzelhandel oder die Politik zu zeigen“, sagte Kaniber und spielte damit wohl auf die immer wieder aufflammenden Proteste der Landwirte an. Der Handel sei zudem bereit, in der Werbung weniger auf einen niedrigen Preis als auf die Qualität regionaler Erzeugnisse zu setzen. Gerade Bayern und Baden-Württemberg hätten mit ihren regionalen Qualitätssiegeln einen Wettbewerbsvorteil vor anderen Bundesländern. Hier suche man deshalb den Zusammenschluss.
Dennoch wollen es die beiden Länder nicht bei Appellen bewenden lassen. Baden-Württemberg und Bayern haben im Bundesrat zwei Initiativen gestartet. Eine sieht vor, dass ein Werbeverbot für Fleisch zu Niedrigpreisen kommen soll. Wo ein solcher Dumpingpreis anfing, blieb aber offen.
Mit der zweiten Initiative setzen sich die beiden Bundesländer dafür ein, dass die Erzeuger künftig einen Mindestpreis für Fleisch festsetzen könnten. Es müsste, wenn der Bund die gesetzlichen Voraussetzungen tatsächlich schaffen würde, ein Verband gegründet werden, der dann einen Preis bestimmt. Am nächsten Freitag wird im Bundesrat über diesen Vorstoß abgestimmt .
Marco Eberle, der Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes, findet die Zielrichtung der Initiative gut. Dennoch ist er sehr skeptisch: Noch sei völlig unklar, wie verpflichtend ein solcher Preis wäre und wie viele Landwirte tatsächlich mitmachen würden. Und mit einem Mindestpreis sei man im Export schnell nicht mehr wettbewerbsfähig, sodass die Abnahmemenge sänke und dann der deutsche Preis bald wieder unter Druck geraten würde. Minister Hauk reagierte auf die Frage, wie realistisch die Einführung eines solchen Mindestpreises sei, überraschend emotional. „Niemand hat bisher bessere Vorschläge gemacht“, meinte er etwas kurz angebunden. Die Politik schaffe eine Möglichkeit, was die Erzeuger daraus machten, sei eine andere Sache, betonte Hauk: „Aber wenn sie nichts daraus machen, brauchen sie sich auch nicht mehr bei der Politik beschweren.“
Die Landwirte setzen dagegen vor allem auf Gespräche mit dem Einzelhandel, die doch längst geführt würden, sagt Marco Eberle. Edeka etwa sei ein verlässlicher Partner und habe in der letzten Krisenzeit die Preise für die Erzeuger nicht gesenkt. Und die Müller-Gruppe mit großen Schlachthöfen in Ulm und bei Pforzheim habe weiter Zuschläge bezahlt. „Wir brauchen mehr Planungssicherheit, das ist das Entscheidende“, so Eberle. Klar ist aber, dass der Einzelhandel und die Schlachthöfe ebenfalls unter wirtschaftlichem Druck stehen. Lidl und Kaufland zum Beispiel hatten im Dezember nach Protesten der Bauern den Kilopreis für Schweinefleisch um einen Euro erhöht – doch da andere Discounter nicht nachzogen, kehrten beide Anfang Februar zum niedrigeren Preis zurück.
Marco Eberle bringt deshalb weiter das Modell einer Abgabe ins Spiel: Bei Fleisch- oder Milchprodukten zahlten die Kunden einen Aufpreis, den der Staat einziehe und daraus Investitionen vor allem in mehr Tierwohl in deutschen Ställen finanziere. Den Haltern – und den Schweinen – täte das gut.