Ronnie O’Sullivan hat die Snooker-WM in Sheffield gewonnen. Und dabei selbst die Gegner verzückt. „Er ist ein Genie“, sagt der geschlagene Finalist Ali Carter.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Sheffield - So sieht es also aus, wenn Gott gearbeitet hat und sieht, dass es gut war. Ronnie O’Sullivan strahlt inmitten des Crucible Theatre von Sheffield, in der einen Hand den Pokal, am anderen Arm den Sohn Ronnie junior. Der Moment des Sieges. Zum vierten Mal ist er am Montagabend Weltmeister im Snooker geworden, mit 18:11 bezwang er im Endspiel Ali Carter.

 

Und wie. Man nennt den 36-Jährigen auch den Mozart der Kugeln – und fürwahr, sein Spiel glich einer atemberaubenden Sinfonie, dargeboten von einem spektakulären Ein-Mann-Orchester. Wer ihn in den vergangenen 17 Tagen sah, und wer einen Sinn für die Ästhetik dieses Sports hat, versteht, was Snookerprofi Alan McManus meinte: „Ronnie zu beobachten ist, wie Gott bei der Arbeit zuzuschauen.“

Dieser Satz spiegelt den Respekt wider vor diesem Giganten des Sports. Andere haben mehr gewonnen, Stephen Hendry etwa oder Steve Davis. Es sind aber nicht allein die Erfolge, die O’Sullivan ausmachen. Am Ende seiner Laufbahn wird man einmal Titel zählen, aber mit Zahlen allein wird man seinem Spiel eben nicht gerecht. Am ehesten zu vergleichen ist Ronnie O’Sullivan vielleicht mit der Tischtennis-Ikone Jan-Ove Waldner. Der ist der begnadetste Spieler aller Zeiten, aber nicht der erfolgreichste. Sie eint dieses nie gesehene Talent. Es ist ihre Gabe – und in ihren größten Momenten ist ihr Spiel eine Offenbarung, als hätten sie die DNA ihres Sports entschlüsselt. „Ronnie ist ein Genie“, sagt Finalist Carter.

O’Sullivans Legende hat sich verselbstständigt

Ronnie O’Sullivan hat diese WM vom ersten bis zum letzten Tag dominiert. Er, der wie kein anderer Spieler Genie und Wahnsinn vereint, hat mit Effizienz und Brillanz auch die heikelsten Szenarien auf dem grünen Filz gemeistert. Er wirkte gelöst wie selten, er hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen von den Sicherheitsfetischisten der Snookerbranche, die ihn mit ihrem Safety-Spiel aus der Balance bringen wollten. Wo er früher die Nerven verlor, löste er sich nun mit genialen Stößen. Steve Davis, sechsfacher Weltmeister, konstatierte: „Wenn er spielt wie hier, ist er der Beste aller Zeiten. Was er alles mit dem Queue in seiner Hand anstellen kann – er ist ein Halbgott.“ Und das nach fürchterlichen Monaten, die erst im Februar in Berlin endeten, als er dort gewann.

Gepaart mit seiner Biografie – dem Vater hinter Gittern, den Depressionen und seinen daraus folgenden Problemen am Tisch – hat sich O’Sullivans Legende verselbstständigt. Legendär etwa die Trinkgelage mit Keith Richards und Ronnie Wood von den Rolling Stones. Der Außergewöhnliche umgibt sich gerne mit außergewöhnlichen Menschen, wie Damien Hirst. Der weltberühmte Künstler ist ein enger Freund und war sich bei der WM nicht zu schade, im Training die Kugel für O’Sullivan aus den Taschen zu holen. „Er spielt, wie Picasso oder van Gogh malen“, sagt Hirst.

In der Stunde des Triumphes in Sheffield dankte Ronnie O’Sullivan vor allem aber auch dem Mann, der ihn rettete: seinem Psychologen Steve Peters, mit dem er seit einem Jahr arbeitet. „Ich wollte so oft hinschmeißen. Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft.“ Ronnie O’Sullivan will sich nun eine Pause gönnen. Aber nicht zurücktreten, wie manche fürchten. „Nur eine Pause.“