Der Kandidat für die Nachfolge von Wolfgang Schuster, Sebastian Turner, war an den Erfolgen der Imagekampagne für das Land beteiligt – aber auch am Verlust des Auftrages.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Das Thema wird früher oder später bei den meisten Auftritten von Sebastian Turner in Stuttgart angesprochen. Ob der legendäre Slogan für die Imagekampagne des Landes („Wir können alles, außer Hochdeutsch“) wirklich von ihm stamme? „Schon“, bekannte der einstige Werbeprofi kürzlich mit gespielter Bescheidenheit bei einem Podiumsgespräch. „Die Kollegen, die dabei waren, sagen, ich hätte den Einfall gehabt.“ Heute, da der Spruch anders als beim Start der Kampagne unumstritten sei, stehe er „noch lieber dazu“, ergänzte er schmunzelnd.

 

Eigentlich bemüht sich der von der CDU nominierte OB-Kandidat, seine Karriere in der Werbung als abgeschlossenes Kapital darzustellen. Schon 2008 sei er aus der Führung der Agentur Scholz & Friends ausgeschieden, seine Tätigkeit dort sei mithin „seit einigen Jahren Geschichte“. Die Frage, warum er einen so „tollen Job“ freiwillig aufgegeben habe, beschied er bei der Talkrunde kurz und bündig mit „deshalb“. Man solle eben aufhören, so seine Botschaft, wenn es am schönsten ist.

„Der Achttausender unter den Werbesätzen“

Doch auf sein Wirken für das Land Baden-Württemberg lässt sich Turner immer noch sichtlich gerne ansprechen. Die 1999 gestartete Kampagne wurde schließlich mit Preisen überhäuft und setzte Maßstäbe für die Länderwerbung insgesamt. Für Scholz & Friends war sie wohl eines der werbewirksamsten Aushängeschilder. „,Wir können alles . . .‘ gehöre „zu den Achttausendern unter den Werbesätzen“, sagt der heutige Kreativ-Geschäftsführer Martin Pross – weit herausragend also aus den vielen kleinen und mittleren Gipfeln.

So bekannt Turners Beitrag zum Erfolg der Baden-Württemberg-Werbung ist, so wenig weiß man über seine Rolle beim Verlust des prestigeträchtigen Auftrags. Vor zwei Jahren wurde die Kampagne turnusgemäß neu ausgeschrieben. Beim Slogan, das war unumstritten, sollte es bleiben, für die inhaltliche Ausgestaltung wurden neue Vorschläge erwartet. Alle Welt ging davon aus, dass die Zusammenarbeit mit Scholz & Friends fortgesetzt würde; über die Jahre waren schließlich enge Bande zum Land entstanden. Die Agentur gelangte denn auch unter 18 Bewerbern in die Endauswahl mit vier Aspiranten.

Der Zuschlag geht nicht mehr als Scholz& Friends

Doch dann gab es, kurz vor Weihnachten 2010, eine faustdicke Überraschung: der Zuschlag der Jury aus Regierungsvertretern und PR-Leuten ging an die Agentur zum goldenen Hirschen. „Wir haben Scholz & Friends unendlich viel zu verdanken“, verkündete der damalige Staatsminister Helmut Rau (CDU) leicht wehmütig. Doch nach zehn Jahren sei es eben „Zeit für neue Tonalitäten, Botschaften und Konzepte“. Da habe die Kölner Dependance der „Hirschen“ das überzeugendere Konzept vorgelegt. Der erste Auftritt der neuen Werbestrategen geriet freilich so schräg, dass Rau und sein damaliger Chef Stefan Mappus ziemlich irritiert wirkten.

Für Scholz & Friends war die Abfuhr ein schwerer Schlag. Sie hatten für die Verteidigung des Langzeitauftrages eigens ihren besten Mann reaktiviert: Sebastian Turner. Der war damals – ebenso wie sein Partner Thomas Heilmann, inzwischen Berliner Justizsenator – zwar längst in den Aufsichtsrat der Muttergesellschaft Commarco gewechselt. Doch Kunden und Führungskräften der Agentur wollten beide auf Wunsch weiterhin zur Verfügung stehen.

„Witterungsbedingte“ Abwesenheit

„In diesem Rahmen war Herr Turner auch an der Entwicklung unseres Kampagnenvorschlags beteiligt“, bestätigte ein Agentursprecher jetzt der StZ – ebenso wie an dessen Präsentation. „Witterungsbedingt“ habe man nicht nach Stuttgart kommen können, sondern die Folien „ersatzweise telefonisch erläutert“. Turner selbst sagt, er sei „als Berater des Agenturteams“ tätig geworden, auf dessen Bitte hin. Von Nachwehen der Vergabe, über die in Stuttgart gemunkelt wird, wollen weder Scholz & Friends noch der Ex-Chef etwas wissen. Man habe „keine formale Kritik am Vergabeverfahren“ geübt, sagt der Sprecher. Tatsächlich soll der Qualitätsunterschied zwischen den Konzepten so groß gewesen sein, dass der Jury keine andere Wahl blieb. An Turners Nimbus als Werbeprofi dürfte die Niederlage gleichwohl kaum kratzen. Inner- und außerhalb der Branche wird nun mit Spannung erwartet, wie er als Oberbürgermeister-Kandidat für sich selbst Reklame macht. Für einen Slogan ist es nach Auskunft aus seinem Wahlkampfbüro noch zu früh; einstweilen bleibt es bei den Bausteinen „Bürger-OB“ und „Bürgerstadt”. Im Internet stellt Turners Unterstützer-Initiative indes schon einmal drei Plakate zur Abstimmung, deren Text von den Zuschauern einer Talkshow vorgeschlagen wurde. Auf Platz zwei lag zuletzt ein Entwurf, auf dem nebst Turners Konterfei – allen Ernstes – folgender Spruch prangt: „Ich bin das Volk!“