Die Veranstaltung des Statistischen Amts in der Liederhalle in Stuttgart bietet auch den als weniger aussichtsreich geltenden Kandidaten die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Die Bewerber haben das genutzt.

Stuttgart Die Veranstaltung des Statistischen Amts bietet auch den als weniger aussichtsreich geltenden Kandidaten die Gelegenheit, sich zu präsentieren. Den Anfang hat der mit 58 Jahren älteste im Teilnehmerfeld, der Mathematiker Ulrich Weiler gemacht. Der dreifache Vater hat den Titel eines Kinderlieds von Paul Hindemith: „Wir bauen eine Stadt, sie soll die allerschönste sein“, als Leitmotiv ausgewählt. Eine Stadt brauche Regeln und Ordnung, der Bürger dürfe aber nicht bevormundet werden. Weiler sagte, er wolle Bildung und Erziehung fördern und forderte die Wähler auf, seine Vorredner Sebastian Turner und Fritz Kuhn „zurück nach Berlin“ zu schicken. Vielleicht würden sie beim Bau des Flughafens gebraucht.

 

Stephan Ossenkopp, Angestellter bei der Partei Bürgerrechtsbewegung Solidarität (Büso), sieht die Welt am Abgrund. Es drohe Hyperinflation und womöglich ein dritter Weltkrieg. Am Neckar könne man damit beginnen, das Ruder herumzureißen und eine „Neuausrichtung der Gesellschaft“ starten. Ossenkopp propagiert die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken sowie einen „Stopp der Brüningschen Sparpolitik“. Auf dem Gelände hinterm Hauptbahnhof könnte ein Wissenschaftszentrum entstehen, in dem etwa die Magnetschwebebahntechnik und die Raumfahrt weiter erforscht werden.

Der Unternehmensberater Wolfram Bernhardt sagte, er gehe seit langem der Frage nach: „Sind die anderen verrückt oder wir?“ Den 29-Jährigen treibt um, „wo wir falsch abgebogen sind“. Er hält es für wichtig, die Wirtschaft in Stuttgart „unabhängig von der Automobilindustrie zu machen“, etwa durch die Förderung von Existenzgründern. Er findet, dass man nicht den Investoren das Feld überlassen dürfe. Die Milliarden-Beteiligung der Stadt an der Landesbank stellt er in Frage. Bernhardt plädiert für eine starke Bürgerbeteiligung – je mehr mitdiskutierten, desto mehr müssten sich die Regierenden anstrengen.

Der Handwerker Wolfgang Schmid eröffnete den Reigen diverser Spaßkandidaten. Er glaubt, der Oberbürgermeister sei „der Hampelmann oder der Klassensprecher, der sagt, wo es langgeht“. Eigentlich müssten die Kinder an die Macht, denn sie würden die Wahrheit sagen. Es sei unsinnig, für „solch einen alten Hut“ wie S 21 so viel Geld auszugeben. Seiner Meinung nach gebe es zu viele Vorschriften. In seinem Wohnort Plieningen seien 15 neue Ampeln installiert worden, dabei wüssten die Autofahrer schon, wann sie fahren dürften.

Das Projekt „Stausee 21“

Werner Ressdorf, der die deutsche und brasilianische Staatsangehörigkeit hat, würde als OB mit einer Delegation in seine reiche Heimat reisen, um mit Aufträgen für die Wirtschaft zurückkommen. Der 58-jährige Industriekaufmann bezeichnete sich als „dynamisch, pragmatisch und innovativ“. Er wolle den Wirtschaftsstandort fördern, Schulden abbauen und eine Umgehungsstraße am Kesselrand befürworten.

Markus Vogt, Mitglied von „Die Partei“, die von Ex-Redakteuren der Satirezeitschrift „Titanic“ gegründet wurde, kündigte an „haushoch zu gewinnen“. Er plädiert für das Projekt „Stausee 21“, bei dem die Stadt unter der Erde verschwindet, will den Bierverkauf subventionieren, dem VfB mit Steuergeld Christiano Ronaldo kaufen. Dafür würde „die Stadtkasse geplündert“.

Der Travestiekünstler Bernd Heier, genannt Selma Kruppschke, machte in erster Linie Werbung für sein Buch, in dem es um Politikverdrossenheit gehe. Der Verkaufserlös soll karitativen Zwecken zugute kommen. 70 Prozent des OB-Gehalts würden ihm reichen: „Ich schlafe sowieso im Rathaus.“

Den Schlusspunkt setzte der Elektroingenieur Ralph Schertlen, der die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung herausstellte. Als Dozent der Dualen Hochschule und Übungsleiter im Sportverein wisse er um die maroden Schul- und Sportbauten. Sie müssten saniert werden. Schertlein sagte, er verstehe nicht, wie man zu S 21 habe ja sagen können. Er fordert den Nordostring und den Bau großer Park-and-Ride-Parkhäuser zur Lösung der Verkehrsprobleme.