Freie Wähler raten der CDU, den parteilosen Bewerber Sebastian Turner zu wählen. Falls daraus nichts wird, könnte er ja für sie antreten.

Stuttgart - Jürgen Zeeb, der Chef der siebenköpfigen Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler, hatte am Freitag erst einmal Telefondienst zu leisten. Das verwundert nicht, nachdem Kreisvorstand und Fraktion am Abend zuvor der CDU ungefragt und aus heiterem Himmel empfohlen hatten, sich bei ihrer Kandidatenauslese zur Oberbürgermeisterwahl für Sebastian Turner – und damit gegen den Mitbewerber Andreas Renner – zu entscheiden.

 

Diese Mitteilung freute auch den CDU-Kreischef Stefan Kaufmann, der sich ebenfalls für den Unternehmer und Werbeprofi ausgesprochen hat. In der Partei heißt es nun allerdings schon, er habe den Freien Wählern diese Empfehlung aufgedrängt.

Kein CDU-Stallgeruch

Das Argument, das sich die rund 3200 wahlberechtigten Stuttgarter CDU-Mitglieder vor der Abstimmung am 17. März aus Sicht der Freien Wähler zu vergegenwärtigen hätten: Dem parteilosen Unternehmer aus Berlin hafte nicht „der Stallgeruch der CDU an“, so Zeeb gegenüber der StZ. Was man keinesfalls wolle, sei aber, den Eindruck zu erwecken, man greife der Entscheidung der Christdemokraten vor, hieß es in der Pressemitteilung.

Die Entscheidung war am vergangenen Donnerstag gefallen, nachdem der ehemalige Sozialminister und Ex-OB von Singen, Andreas Renner, seinen Antrittsbesuch absolviert hatte. „Er ist halt ein Politprofi“, bilanzierte Zeeb. Natürlich habe Renner bereits bewiesen, dass er eine Stadt führen könne und wisse, „wie Politik geht“, aber seine Karriere sei eben nach dem Motto „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ verlaufen. Dass ihn die Freien Wähler nicht wollten, hat er am Freitag mit Gelassenheit registriert. „Das überrascht mich nicht“, sagte Renner. Einziges Kriterium der parteilosen Freien Wähler sei die Parteilosigkeit des Mitbewerbers gewesen.

Die übrigen Parteien beobachten das Schauspiel in aller Ruhe

Jürgen Zeeb antwortete auf die Frage, was außer dem Vorteil, kein CDU-Parteibuch zu besitzen, für Turner gesprochen habe, dieser sei „eine interessante Persönlichkeit, die Stuttgart gut zu Gesicht stehen würde“. Er habe vermitteln können, dass er „Personen zusammenführen“ könne. „In seltener Einmütigkeit“ sei die Entscheidung zugunsten des Werbeprofis „mit interessanter Vita“ gefallen.

Die Entscheidung, mit einer Wahlempfehlung nicht so lange zu warten, bis sich die Freunde von der CDU auf einen Kandidaten festgelegt haben, begründet der Fraktionschef damit, dass es keine Empfehlung der Freien Wähler geben werde, falls ihr Favorit durchfalle. Die Freien Wähler würden ihren Anhängern also nicht raten, Renner zu wählen. Zeeb denkt auch schon an die Zeit nach der Vorwahl: „Falls Sebastian Turner nur knapp unterliegen würde, würden wir ihm raten, als parteiloser Kandidat an der OB-Wahl teilzunehmen“, so der Fraktionschef.

Schon einmal gab es zwei OB-Kandidaten einer Partei

Zeeb sagte auch, in diesem Fall müsse man entscheiden, ob sich die Freien Wähler dann Turner als ihren eigenen Kandidaten vorstellen könnten. Dass sich zwei Bewerber einer Partei im Wahlkampf zerfleischen, ist nicht neu: Das hat die SPD 1996 vorgemacht, als sich der damalige Pforzheimer OB Joachim Becker im zweiten Wahlgang zum offiziellen Bewerber der Sozialdemokraten, Rainer Brechtken, gesellte – mit desaströser Wirkung.

Die übrigen Parteien halten sich mit Empfehlungen zurück: „Wir wollen die Wahlprobleme der CDU nicht durch eine Empfehlung unsererseits erhöhen, schauen aber interessiert zu“, sagte Roswitha Blind von der SPD. Peter Pätzold (Grüne) ist froh, diese Sorgen nicht zu haben, „dafür mit Fritz Kuhn schon einen geeigneten Kandidaten“.

Die FDP denkt nicht daran, der CDU Ratschläge zu erteilen. „Wir müssen erst einmal unsere Hausaufgaben machen“, sagte der Fraktionschef Bernd Klingler. Dass die Liberalen einen eigenen Bewerber präsentieren, sei allerdings eher unwahrscheinlich. Die Unterstützung der CDU ist damit aber längst nicht ausgemacht. Das hängt wie bei den Freien Wählern vom Ausgang des parteiinternen Wettbewerbs ab.

Bernd Klingler nimmt, nachdem er mit beiden Bewerbern gesprochen hat, kein Blatt vor den Mund: „Meine persönliche Meinung ist: Ich kann mir Herr Turner als obersten Repräsentanten der Stadt überhaupt nicht vorstellen. Seine Ansichten haben mich nicht überzeugt.“