Die Wohnungsnot in Stuttgart betrifft längst nicht nur einkommensschwache Familien. OB Kuhn will jetzt die Quote der Sozialwohnungen deutlich erhöhen. Wissenschaftler sind bezweifeln allerdings, dass solche Pläne den Durchbruch bringen.

Stuttgart - Angesichts steigender Wohnungspreise wird es für Normalverdiener immer schwerer, in Stuttgart eine Wohnung zu finden. Diese Entwicklung will Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) mithilfe des Baurechts bremsen. „Ich werde dem Gemeinderat vorschlagen, dass wir Bauherren mehr als bisher verpflichten, einen größeren Anteil des Bauvolumens für geförderten Wohnraum zu reservieren“, sagte Kuhn im Interview mit unsrer Zeitung. „Ich möchte diesen Anteil im Rahmen des Stuttgarter Innenentwicklungsmodells von 20 auf 30 Prozent erhöhen.“ Auf städtischem Grund und Boden solle der Anteil sogar 80 Prozent betragen.

 

Kuhn positionierte sich damit klar gegen Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats des Bundeswirtschaftsministeriums, der ein grundsätzliches Umdenken in der Wohnungspolitik fordert. In seinem neuen Gutachten plädiert er dafür, die Mietpreisbremse abzuschaffen. Wegen der begrenzten Möglichkeit, die Mieten anzuheben, gebe es zu wenige Anreize für Neubau und Modernisierungen, erklärte das Gremium, dem 36 Wirtschafts- und Rechtswissenschaftler angehören. Auch solle der soziale Wohnungsbau deutlich reduziert und stattdessen das Wohngeld reformiert werden. Beim Wohngeld lasse sich anders als bei Sozialwohnungen die Bedürftigkeit regelmäßig überprüfen.

Die Airbnb-Wohnungen sollen reduziert werden

Kuhn hält dagegen: „Wir müssen in Deutschland verstärkt in den sozialen Wohnungsbau einsteigen und nicht, wie jetzt Experten im Wirtschaftsministerium meinen, aussteigen.“ Das wäre aus seiner Sicht ein neoliberaler Anachronismus.

Im Gespräch mit unserer Zeitung schlug der Stuttgarter OB ein Treffen der Oberbürgermeister mit Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) vor: „Wir sollten uns an einen Tisch setzen, um darüber zu reden, wie das Zweckentfremdungsverbot zu einem wirksameren Instrument werden kann.“ Auch beim Thema Ferienwohnungen und Monteurswohnungen, die zu Problemen auf dem Wohnungsmarkt führen, erhofft sich Kuhn Unterstützung vom Land. „Ich setze mich da für Obergrenzen ein.“

Auch die Bundesregierung ging auf Distanz zu den Forderungen des Wissenschaftlichen Beirats. Justizministerin Katarina Barley (SPD) sagte, die Forderungen seien unverantwortlich. Das Wirtschaftsministerium unterstrich, der Beirat sei unabhängig und agiere auch so. Insofern gebe er nicht die Meinung der Bundesregierung wieder. Das hatte zuvor auch Minister Peter Altmaier (CDU) deutlich gemacht. Der Sozialverband SoVD kündigte unterdessen ein Gegengutachten an. Dem sozialen Wohnungsbau komme eine Schlüsselrolle im Kampf gegen zu hohe Mieten zu, erklärte der Verband.

Die Landesregierung hält am sozialen Wohnungsbau fest

Auch die Landesregierung denkt nicht daran, ihren Kurs für die soziale Wohnraumförderung aufzugeben. Angesichts der angespannten Marktsituation in Teilen Baden-Württembergs sei ein solches Instrument unverzichtbar, sagte Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut. „Wir müssen einen Wohnungsbestand sichern, der nur solchen Haushalten offensteht, die aufgrund ihres beschränkten Einkommens eine entsprechende Berechtigung vorweisen können.“

Der Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland dagegen begrüßt die Empfehlungen des Beirats. Die Mietpreisbremse müsse umgehend abgeschafft, die privaten Einzeleigentümer wieder in den Fokus der Wohnungspolitik gestellt werden, sagte Verbandspräsident Kai Warnecke.