Unter Fritz Kuhn (Grüne) weht ein anderer Wind: Der neue Rathauschef pflegt eine aktive Sitzungsleitung. Zwischenrufe werden unterbunden, Stadträte in ihren Aussagen korrigiert.

Stuttgart - Der Gemeinderat und zahlreiche demonstrierende Eltern, Kinder und Betreuer haben den neuen Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) bei dessen erster Vollversammlung vor eine echte Bewährungsprobe gestellt: Kaum im Sitzungssaal hatte er im Blitzlichtgewitter der Fotografen 400 Unterschriften von Fahrern von Behindertentransporten des Deutschen Roten Kreuzes entgegenzunehmen, die Sozialdumping und schlechtere Standards bei der Beförderung befürchten. Danach folgte eine fast zweistündige kontroverse Debatte über die Einführung von Ganztagsschulen, die seine ganze Konzentration forderte. Die Behandlung endete mit einem wahren Abstimmungsmarathon über zehn Einzelpunkte sowie diverse Anträge verschiedener Wertigkeit. Das machte es schwer, den Überblick zu bewahren, zumal Kuhn – anders als sein Vorgänger Wolfgang Schuster (CDU) – Wert darauf legt, jedes Mal selbst an der Abstimmung teilzunehmen.

 

Die Anspannung war Fritz Kuhn anzumerken, als er sich vor der Premiere an einer Gruppe kleiner Kinder vorbeidrückte, die vor der Tür zum Sitzungssaal lautstark skandierte: „Wir wollen im Hort bleiben.“ Zum Glück gab es Nervennahrung vom Stellvertreter: Der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) überreichte ein Starterpaket mit Kuhns Lieblingsschokolade, einem USB-Stick und einigen Flaschen vom städtischen Weingut. Der OB revanchierte sich prompt mit der Ansage einer neuen Tradition: Künftig werde pünktlich begonnen, nicht mit 15 Minuten Verspätung. Der OB sah sich um – und bedankte sich umgehend für „die körpersprachliche Bekundung der Zustimmung“.

Kuhn greift bei der CDU korrigierend ein

Danach war „Schluss mit lustig“. Kuhn gab den Zuchtmeister. So machte er keinen Hehl daraus, dass auch ihm, wie Susanne Eisenmann, der kurzfristig eingereichte Antrag der CDU auf dauerhaften Erhalt der Horte nicht gefiel: „Warum haben Sie ihn nicht im Verwaltungsausschuss gestellt“, frage er. Und er griff ein, als die Schulbürgermeisterin in ihrer Rede durch Zwischenrufe von der Tribüne unterbrochen wurde. Ein solches Verhalten sei er weder aus dem Land- noch aus dem Bundestag gewohnt. Grundlage für die Entscheidung der Stadträte seien vorgetragene Argumente. Diese müssten allerdings zu hören sein.

Anders als sein Vorgänger Wolfgang Schuster, der selbst unsinnigen und widersprüchlichen Meinungsbekundungen der Stadträte mit großer Gelassenheit begegnete, griff der grüne OB gleich zweimal bei der CDU korrigierend ein. Erst unterbrach er Iris Ripsam, als sie vom vorübergehenden Weiterbetrieb der Horte sprach, und wies sie darauf hin, dass sie dann in ihrem Antrag nicht von „dauerhaft“ sprechen dürfe. Und als der Fraktionschef Alexander Kotz versuchte, den gewünschten kompletten Systemwechsel mit einem Grünen-Antrag gleichzustellen, der nur eine marginale Änderung enthielt, betonte Kuhn prompt: „Ihr Antrag hat doch einen ganz anderen Charakter.“