In der Kolumne „Aufgespießt“ entdeckt Johannes M. Fischer die Einsamkeit der OB-Kandidaten.

Esslingen - Allein, allein – das ist das Los der OB-Kandidaten im Esslinger Wahlkampf. Meine Vorstellung war, dass gleich nach einer Veranstaltung sich eine aufgeregte Traube um den Kandidaten bildet und die Auswertung beginnt: Was hätte sie oder er stärker betonen, was weglassen müssen. Hätte man anders gestikulieren oder argumentieren müssen? All das passierte nicht. Vielleicht beim nächsten Mal, dachte ich. Aber da war es genauso. Und beim übernächsten Mal war es wieder so. Die Kandidaten kamen oft allein und gingen allein – von Wahlkampfmanagern, Unterstützern oder sonstigen Helfern keine Spur. So zog sich die Einsamkeit der Kandidaten durch bis zur letzten Veranstaltung.

 

Mit Sicherheit saßen Berater und Freunde vor den Monitoren, viele Veranstaltungen wurden ja live übertragen. Womöglich übermittelten sie auch schon während der Veranstaltung Ratschläge via Smartphone. Nur vor Ort war kaum jemand, dabei wären bei etlichen Veranstaltungen Präsenzplätze frei gewesen und eine moralische Unterstützung wäre vermutlich nicht das Schlimmste gewesen, was einem Diskutanten hätte passieren können. Die Unterstützer zogen es offensichtlich vor, sich das Video auf dem Sofa im Homeoffice bei einer Tüte Chips anzusehen. Irgendwann fingen die Kandidaten sogar an, mir leid zu tun, doch dieses Gefühl schob ich schnell beiseite. Sie hatten es sich ja so ausgesucht.

Die Erkenntnis, dass der künftige Oberbürgermeister oder die künftige Oberbürgermeisterin alleine durch die weite Ebene des Wahlkampfes marschierte, führte mich zu einer anderen Überlegung: Wie einsam eigentlich muss ein Oberbürgermeister im Amt sein, wenn er – oder sie – schon im Vorfeld so verlassen aussieht?