Der parteilose Herausforderer Martin Horn gewinnt in Freiburg klar die Wahl zum Oberbürgermeister. Überschattet wird das Ereignis von einer Attacke auf den 33-Jährigen aus Sindelfingen.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Um 19.02 Uhr hat am Sonntagabend ein politisches Erdbeben die Grünen-Hochburg Freiburg erschüttert. Da stand fest: Oberbürgermeister Dieter Salomon (Grüne) unterliegt auch im zweiten Wahlgang dem Newcomer Martin Horn – und das in aller Deutlichkeit. Der Parteilose, von der SPD und der FDP unterstützte 33-jährige Europakoordinator im Rathaus von Sindelfingen (Kreis Böblingen) wurde mit 44,2 Prozent zum neuen Freiburger Oberbürgermeister gewählt. Für den Amtsinhaber Salomon stimmten lediglich 30,7 Prozent. Die parteilose, von linken Gruppierungen unterstützte Stadträtin Monika Stein bekam 24,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung betrug 51,7 Prozent.

 

Horns Freude über seinen Sieg wurde bald getrübt. Auf seiner Wahlparty wurde er gegen 20.30 Uhr von einem Mann angegriffen und so schwer verletzt, dass er ärztlich behandelt werden musste. Der Täter habe sich Horn genähert unter dem Vorwand, ihm gratulieren zu wollen, ihm aber stattdessen mit der Faust ins Gesicht geschlagen, hieß es am Abend. Der 33-Jährige erlitt dabei eine Platzwunde unterhalb des Auges. Der Angreifer wurde überwältigt und später von der Polizei festgenommen.

Noch bevor der letzte Wahlbezirk ausgezählt war, hatte Salomon mit ernstem Gesicht die Tribüne vor dem Rathaus der 230 000 Einwohner zählenden Stadt betreten und räumte die Niederlage ein. „Es ist mir zum zweiten Mal nicht gelungen, eine Mehrheit zu finden“, sagte der 57-Jährige. Er beglückwünschte seinen Kontrahenten und wünschte ihm viel Erfolg zum Wohl der Stadt: „Der eindeutige Sieger ist Martin Horn.“ Er habe stets betont, es komme darauf an, ob „die Leute nach 16 Jahren Amtszeit mein Gesicht noch sehen wollen“. Das sei offensichtlich nicht der Fall, konstatierte der Grünen-Politiker.

Martin Horn nimmt jetzt erst einmal eine sechswöchige Auszeit

Der Wahlsieger Martin Horn erklärte, er habe mit einem „unkonventionellen und authentischen Wahlkampf“ und mit der Unterstützung von Freunden die Wahl gewonnen. Der 33-Jährige nimmt erst einmal eine sechswöchige Auszeit, weil demnächst sein zweites Kind zur Welt kommt. Er tritt sein Amt zum 1. Juli an. Dann wolle er Brücken zu den Gemeinderatsfraktionen schlagen; auch mit Salomon will er das Gespräch suchen.

Horn war von der SPD-Landesgeneralsekretärin Lucia Boos empfohlen und unterstützt worden. Die SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier war außer sich vor Freude: In Freiburg habe der Aufstieg der Grünen begonnen, nun beginne dort auch deren Abstieg. Bevor Salomon 2002 in Freiburg zum ersten grünen Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt gewählt wurde, hatten dort 40 Jahre in Folge die Sozialdemokraten den Rathauschef gestellt.

Für den Grünen-Politiker Salomon ist es eine bittere Niederlage. Er hat gegenüber dem ersten Wahlgang sogar noch drei Prozent verloren, Horn dagegen hat um zehn Prozent zugelegt. „Wenn jemand vorne liegt, von dem man es nicht erwartet hat, dann ist die Welle nicht zu brechen“, erklärte der Freiburger Politologe Ulrich Eith. 2002 habe Salomon davon profitiert, jetzt sei es Horn gewesen. Warum der Herausforderer sich in dieser Deutlichkeit gegen einen langjährigen Amtsinhaber durchsetzen konnte, war das Hauptthema des Abends. „Die Kehrtwende in Salomons Werbung nach dem ersten Wahlgang ist beim Wähler nicht angekommen“, vermutet Michael Wehner, Leiter der Freiburger Außenstelle der Landeszentrale für Politische Bildung. „Salomon hat weder die grüne Klientel noch die CDU-Wähler erreicht.“ Möglicherweise seien die massiven Aufrufe per Zeitungsanzeige seitens der Freiburger Prominenz kontraproduktiv gewesen. Die drittplatzierte links-alternative Kandidatin Monika Stein errang auch im zweiten Wahlgang ein starkes Ergebnis. Ihr sei es, erklärte sie, darum gegangen, die Inhalte in den Vordergrund zu bringen.

Nach Salomons Abwahl braucht der Städtetag einen neuen Präsidenten

Wahlverlierer sind nicht nur die Grünen in Freiburg, sondern auch die CDU. Die Christdemokraten hatten zwar nach 2010 erneut keinen eigenen Kandidaten gegen Salomon ins Rennen geschickt, aber erst nach dem Debakel Salomons vor zwei Wochen rief die CDU ihre Anhänger dazu auf, den Amtsinhaber zu wählen. Die Grünen und die CDU stellen im Gemeinderat die zwei stärksten Fraktionen. „Wir werden nun abwarten, was für eine Politik Horn macht“, so der CDU-Fraktionsvorsitzende Wendelin Graf Kageneck. „Er muss jetzt sagen, was er will.“ Der künftige OB hatte seinen Wahlkampf unter das Motto „Gemeinsam Freiburg gestalten“ gestellt, war inhaltlich aber eher blass geblieben.

Vor den Grünen stehe eine gründliche Wahlanalyse, betonte die Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae. „Es ist bitter, dass eine erfolgreiche Politik abgewählt wurde“, sagte sie und zollte Horns engagiertem Wahlkampf Respekt. Auch die beiden Grünen-Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand gratulierten Horn und dankten ihrem Parteifreund. Trost gab es auch von Ministerpräsidenten: „Dieter Salomon hat Hervorragendes für die Stadt Freiburg geleistet. Sie ist in einem ausgezeichneten Zustand und gut für die Zukunft gerüstet“, erklärte Winfried Kretschmann.

Nicht nur im Freiburger Rathaus wird es einen Wechsel geben. Auch der Städtetag Baden-Württemberg muss sich einen neuen Präsidenten suchen. Salomons Amtszeit ende am 30. Juni, so ein Sprecher des Verbandes.