Die Göppinger SPD erwägt, den Bad Cannstatter Bezirksvorsteher Thomas Jakob bei der OB-Wahl gegen Amtsinhaber Guido Till antreten zu lassen. Kurios: Jakob ist CDU-Mitglied.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Die Göppinger SPD ist bei ihrer Suche nach einem Gegenkandidaten für Oberbürgermeister Guido Till (parteilos) offenbar fündig geworden. Nach Informationen der StZ soll der Bezirksvorsteher von Bad Cannstatt, Thomas Jakob, am 14. Oktober auf dem Wahlzettel stehen. Das Kuriose daran: Jakob ist CDU-Mitglied. Ehe der heute 53-Jährige im Jahr 2006 in einer Kampfabstimmung zum Chef des größten Bezirks der Landeshauptstadt gewählt wurde, war er 20 Jahre lang Protokollchef des Stuttgarter Oberbürgermeisters, zunächst unter Manfred Rommel, dann bei Wolfgang Schuster (beide CDU).

 

In den vergangenen Monaten hatte der Chef der Göppinger SPD-Gemeinderatsfraktion, Armin Roos, intensiv und unter höchster Geheimhaltung nach einem Kandidaten gesucht, der sich vor allem bei der Personalführung positiv vom Amtsinhaber absetze. „Es gibt Gespräche“, bestätigte Roos nun. Jakob sei eine von mehreren Optionen. Entschieden sei aber noch nichts. Auch Jakob erklärte, eine Kandidatur sei offen. Er wolle aber zunächst mit den Fraktionen sprechen, „und zwar mit allen“.

Sondierung mit den Grünen

Für heute ist bereits ein Treffen mit der Spitze des Grünen-Ortsverbands geplant. Als Bedingung für seine Kandidatur habe Jakob gefordert, dass nicht nur die SPD hinter ihm stehe, sagte der Ortsvereinschef der Grünen, Tobias Liebig-Cardinale, auf Anfrage. Jetzt müsse man sich erst kennenlernen.

Sowohl der SPD als auch den Grünen stehen harte Debatten bevor. Viele dürften sich an Jakobs Parteibuch stören. In Anbetracht der ungewöhnlichen Konstellation müsse sich Jakob einem breiteren Kreis von Parteimitgliedern vorstellen, so Liebig-Cardinale. Eine kleine Minderheit im Vorstand hält selbst dies für überflüssig. „Wir haben schon einen CDU-Kandidaten, wir brauchen nun nicht einen weiteren unterstützen“, sagte der Grünen-Kreisrat Jürgen Hamann mit Blick auf OB Till. „Wenn wir es nicht schaffen, eigene Leute aufzubieten, sollten wir es lieber sein lassen.“

CDU unterstützt Till

Auch der Gewerkschaftsflügel der SPD ist kritisch. „Von meinem Herzen her ist mir das Parteibuch schon wichtig“, sagte der Stadtrat und ehemalige DGB-Kreisvorsitzende Klaus Wiesenborn. Sein Kollege Herbert Schweikardt äußerte sich hingegen pragmatisch. „Manchmal muss man eben den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.“ Zumindest hat die SPD die Hoffnung, dass Jakob über das rot-grüne Lager hinaus Unterstützung findet. Ein CDU-Mann auf SPD-Ticket wäre „der interessanteste aller denkbaren Fälle“, sagte Wolfgang Berge von den Freien Wählern (VuB). Weniger groß stehen Jakobs Chancen bei seinen eigenen Parteifreunden. Die CDU hatte bereits vor drei Monaten Till für seinen Wahlkampf Unterstützung signalisiert. „Dabei bleibt es“, sagte der stellvertretende Fraktionschef Jan Tielesch.

Niederlage in Bad Mergentheim

Jakob hat übrigens schon Erfahrungen als OB-Kandidat, wenn auch keine guten. Im vergangenen Jahr hatte er sich in Bad Mergentheim (Main-Tauber-Kreis) beworben, um den ungeliebten Amtsinhaber Lothar Barth abzulösen. Doch das breite Bündnis, das er hinter sich wähnte, bröckelte, noch ehe es geschmiedet war. Die CDU favorisierte einen anderen Bewerber. Nach drei Tagen zog Jakob zurück, blieb aber auf dem Stimmzettel. Ohne Wahlkampf kam er auf 6,8 Prozent.

Kommentar: Schwarze Kröte

Verkehrte Welt in Göppingen: die CDU unterstützt bei der Oberbürgermeisterwahl im Oktober den parteilosen Amtsinhaber, obwohl der bis vor drei Jahren noch unter roter Flagge segelte. Die Sozialdemokraten wollen hingegen einen Mann mit CDU-Parteibuch auf ihr Kandidatenschild heben.

In der an originellen Konstellationen gewiss nicht armen Göppinger Kommunalpolitik ist eben so manches möglich. Andererseits besitzt die ungewöhnliche Kandidatenkür durchaus eine innere Logik. Zum einen hat der Regierungswechsel in Baden-Württemberg vor einem Jahr sämtliche potenziellen rot-grünen Führungskräfte vom Arbeitsmarkt gesaugt. Auch der beliebte Göppinger Sozialbürgermeister Jürgen Lämmle (SPD) wechselte nach Stuttgart. Zum anderen dürfte ein SPD-Kandidat mit CDU-Parteibuch so manchen konservativen Wähler ins Grübeln bringen.

Vor allem zeigt der Name Thomas Jakob aber eines: um den verhassten Guido Till los zu werden, ist die SPD bereit, auch schwarze Kröten zu schlucken. Sieht man von einem missglückten Ausflug nach Bad Mergentheim ab, hat der Bad Cannstatter Bezirksvorsteher seine bisherige Karriere ausschließlich seinen Verbindungen innerhalb der Stuttgarter CDU zu verdanken.

Ob sich für die SPD dieses Wildern in fremdem Terrain am Ende auszahlt, bleibt abzuwarten. Schließlich hat nicht nur die Kränkung, die Tills Austritt in der Partei verursacht hat, zur Entfremdung geführt. Vielmehr wuchsen zwischen der SPD und ihrem einstigen Hoffnungsträger in den vergangenen acht Jahren auch immer tiefere inhaltliche Gräben. Eine andere Politik ist aber auch von dem CDU-Mann Jakob kaum zu erwarten.