Der Konstanzer Horst Frank ist vor 16 Jahren als erster grüner OB in ein Rathaus eingezogen. Jetzt geht er in Pension. Die Bürger wählen am Sonntag seinen Nachfolger.

Konstanz - Ganz am Ende ist die Amtszeit des Horst Frank doch noch so etwas wie glamourös geworden. Zumindest medial gesehen. Die „Süddeutsche“ und die „Frankfurter Allgemeine“ (FAZ), die beiden größten überregionalen Zeitungen im Lande, ließen sich herbei, um die zwei Perioden währende Amtszeit zu würdigen. War es doch Frank, dem gelernten Anwalt und gebürtigen Konstanzer, 1996 als erstem Grünen gelungen, Oberbürgermeister einer deutschen Stadt zu werden. Der 63-Jährige kam in den Blättern ganz gut weg. Wohlwollend fielen die Besprechungen seiner 16 Jahre als OB aus. Was für das scheidende Stadtoberhaupt gewiss etwas Balsam für seine Seele gewesen sein durfte. Allgemeiner Tenor: Frank hat’s alles in allem doch ganz gut hingekriegt. Und das, wo er doch ein Grüner ist.

 

Der Autor der „Süddeutschen“ wunderte sich, dass die Stadt jetzt immer noch nicht wesentlich schlechter dastehe als zu Beginn von Franks Amtszeit. „Die prächtigen Zunfthäuser der Altstadt stehen noch, der Strom ist nicht rationiert, die Imperia-Statue wacht unbeirrt über den See.“ Ganz ähnlich bringt der FAZ-Korrespondent 16 Jahre Grün-OB auf den Punkt: „Radieschen auf der Rheinbrücke und Hanf auf den Verkehrsinseln sucht man in Konstanz bis heute vergeblich.“

Ein Konstanzer unter Konstanzern

Derart freundlich war man am Ende mit dem Juristen in seiner Heimatstadt nur selten umgesprungen, wo er in zwei Amtsperioden mehr von der Schwächen seiner Gegner profitierte als durch eigene Stärke brillierte. Vor allem in den Anfangsjahren hatte es vielen Mitbürgern offenbar vollständig gereicht, dass er ein Konstanzer unter Konstanzern war. Das verwundert kaum in der meist auf sich bezogenen Universitätsstadt, in der es sich „mit einer Mischung aus aufgeklärtem Katholizismus, südwestdeutschem Liberalismus und insularem Sonderbewusstsein“ (FAZ) gut leben lässt. Die Probleme der Welt lässt man gerne außen vor.

Frank, Sohn einer Kaufmannsfamilie im kleinbürgerlichen Ortsteil Wollmatingen, hatte den Bürgern dieses Wohlstandsgefühl gepaart mit einen „offenen Diskurs“ und einen „anderen Politikstil“ versprochen. Doch alsbald mussten sie feststellen, dass der neue Mann im Rathaus mehr Einzelkämpfer als Teamspieler war. Einer, der anfangs nicht delegieren wollte. Darin habe er sich im Laufe der Jahre gebessert, sagen Vertraute. Wenn auch nur wenig. Das große Misstrauen gegen seine Beigeordneten und Untergebenen sei ihm geblieben. Der Rathauschef kann im persönlichen Umgang nett und bisweilen charmant sein. Wenn er aber seinen Willen durchsetzen will, wird er eigensinnig bis zur Beratungsresistenz.

„Ein Fundi-Grüner war ich nie“

Frank gilt heute als Vorreiter für Dieter Salomon (Freiburg) und Boris Palmer (Tübingen). Doch schon bald nach der Wahl des Lokalmatadoren fragen sich Gemeinderäte, politische Beobachter und auch viele Bürger in der mit knapp 85 000 Einwohnern größten Stadt am Bodensee, was an diesem Mann eigentlich so grün oder visionär sein soll. Er fuhr mit dem Rad ins Rathaus. Sonst nahm er seinen Dienstwagen. „Ein Fundi-Grüner war ich nie“, räumt er ein. In der Partei spielte er keine Rolle. Vor seiner Wahl war er ein eher unscheinbarer Gemeinde- und Kreisrat der Ökopartei und Aktivist im Bund für Umwelt und Naturschutz. Den Nachweis in Konstanz mehr als andere für die CO2-Bilanz, den Naturschutz oder die Ökobilanz geliefert zu haben, kann er nicht erbringen, sieht man davon ab, dass ihn die rot-grüne Bundesregierung in den Rat für Nachhaltigkeit berief. Zu seinem Markenzeichen wurden so weniger die Inhalte seiner Politik als die Oberfläche, dazu gehörte nicht zuletzt der Seidenschal, gerne blau mit grauen und roten Karos, den Frank sommers wie winters trägt.

Der scheidende OB hält es sich zugute, dass er in und für die „Stadt zum See“ (Werbeslogan) „viel erreicht“ habe. Konstanz sei offener, liberaler als früher. Seine Erfahrungen als Schüler, als er mit Bart und Mao-Fahne durch die Stadt gestürmt war, haben ihn zum Pragmatiker gewandelt. Heute warnt er vor „gefährlichen Ideologien“.

Manches ist ihm schlicht zugefallen

Mehr als 200 Seiten ist die Broschüre dick, die seine Erfolge als „Stationen der Stadtentwicklung 1996–2011“ auflisten soll. Aber was bleibt wirklich vom OB Frank? Er verstand es nie, unbestreitbare Erfolge wie den Kauf der Bodensee-Schifffahrtsbetriebe von der Deutschen Bahn Ende 2002 zum „Schnäppchenpreis“ von 12,7 Millionen Euro als sein Werk darzustellen. Ebenso den gelungenen Umbau der Bodenseetherme für mehr als 28 Millionen Euro. Oder die Einrichtung der Katamaran-Linie nach Friedrichshafen. Oder die Schaffung der weltweit einzigen mit Kunstwerken versehenen Grenze zur Schweiz, die verbesserte Integration von Uni und FH in der Stadt und die Positionierung als Wissenschaftsstadt. Diesen Mangel an politischem Machtwillen versteht er als Nachweis persönlicher Bescheidenheit.

Manches ist ihm schlicht zugefallen, wie der Bau des Einkaufszentrums Lago, der schon vor seiner Zeit in die Wege geleitet war. Als sein größtes Versagen empfindet es auch Frank selbst, dass er es nicht geschafft hatte, mit den vielen Gewerbesteuermillionen des vormalig eigenständigen Pharmariesen Altana ein Konzert- und Kongresshaus auf dem direkt am Bodensee gelegenen Areal Klein Venedig zu bauen. Zweimal wurden die Bürger befragt, immer hoffte Frank auf einen Investor, der ihm alle Sorgen nahm, statt selbst zu handeln. Nun ist die Chance vertan. Altana ist verkauft, die Nachfolger haben den Standort weitgehend dicht gemacht.

Doch das sind nun die Sorgen seines Nachfolgers. Ebenso das marode Krankenhaus, dessen Fusion mit Singen noch nicht gelungen ist. Frank sagt: „Es reicht.“ Der 63-Jährige hat genug von 70-Stunden-Wochen. Jetzt will er reisen, so wie früher als junger Mann, Asien, Australien, Afrika. Es gibt so viel zu sehen. Südafrika, Namibia, Tansania. Am 9. September wartet die Freiheit. Was er dann macht? Er steigt auf sein Rad und fährt den Rhein entlang mit dem Fahrrad, besucht Freunde. Ganz allein.