Kadir Koyutürk will Oberbürgermeister in Kornwestheim werden. Als Mitarbeiter des Rathauses steht er unter besonderer Beobachtung: Trennt er seine dienstlichen Aufgaben und seine Kandidatur streng genug?

Bis zum 30. Mai haben weitere Kandidaten Zeit, ihre Unterlagen für die Oberbürgermeisterwahl in Kornwestheim einzureichen. Zwei Bewerber haben sich früh in Stellung gebracht und den Kampf um die Nachfolge von Ursula Keck (parteilos) eröffnet: Christdemokrat Nico Lauxmann, der von der Kornwestheimer CDU und der FDP unterstützt wird, und der unabhängige Kandidat Kadir Koyutürk, hinter dem die Kornwestheimer Grünen stehen. Für beide gibt es im Wahlkampf besondere Fallstricke.

 

Koyutürk, dessen Grünen-Mitgliedschaft ruht, ist seit 2022 Leiter der Stabsstelle Soziales und Teilhabe im Kornwestheimer Rathaus. Wird er es schaffen, dienstliche Aufgaben und Wahlkampf strikt zu trennen? Hinter vorgehaltener Hand wird darüber in der Stadt diskutiert. Skepsis rufen vor allem Fotos auf den Online-Plattformen Facebook und Instagram hervor. Dort dokumentiert der 41-Jährige Treffen und Erlebnisse. Sind manche Fotos innerhalb der Dienstzeit oder in Zusammenhang mit beruflichen Terminen entstanden? Das geht beim Blick auf die Beiträge nicht immer eindeutig hervor.

Die Strategien der zwei Bewerber Jeden Abend und an den Wochenenden ist Koyutürk unterwegs, um Stimmen für die Wahl am Sonntag, 25. Juni, zu sammeln. Die Bedenken, dass er Dienstliches nicht von seinem Job als Wahlkämpfer trennen könnte, könne er nachvollziehen, sagt der Fachbereichsleiter. „Aber ich achte akribisch darauf, nur in meiner Freizeit Wahlkampf zu betreiben“, beteuert der 41-Jährige. E-Mails, Telefonate, Gespräche und anderes finde nur außerhalb seiner Dienstzeiten statt. „Bevor ich mit einer Kollegin über das Aufhängen von Plakaten gesprochen habe, habe ich beispielsweise ausgestempelt“, sagt er. Ihm sei an einem fairen Wahlkampf gelegen.

Nico Lauxmann sieht bisher kein Anzeichen dafür, dass sein Kontrahent Grenzen überschreite. Der 47-Jährige hatte als Bürgermeister von Schwieberdingen schon vor seiner Bewerbung in Kornwestheim einen vollen Terminkalender. Wie lässt sich für ihn beides zeitlich vereinbaren? Lauxmann möchte ab Mitte Mai seinen Jahresurlaub für die heiße Phase des Wahlkampfs verwenden. Bis dahin nimmt er Termine im begrenzten Rahmen in der Freizeit wahr. Dass er seine Amtspflichten vernachlässige, sei ihm bisher nicht vorgeworfen worden. „Die Schwieberdinger sehen, dass ich weiterhin meinen Job vollumfänglich mache“, sagt er.

Die Einordnung des Experten Dass sich Amtsleiter und Fachbereichsleiter öffentlicher Verwaltungen für eine Bürgermeisterstelle bewerben, ist nicht ungewöhnlich. Vor allem in Baden-Württemberg, weiß Arne Pautsch, Professor für Öffentliches Recht und Kommunalwissenschaften an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg: „Die Ausbildung an unserer Hochschule ist darauf ausgerichtet. Es ist im Grunde ein folgerichtiger Schritt.“

Dass der Verwaltungsprofi aber ausgerechnet in der Kommune, in der er beschäftigt ist, zum Karrieresprung ansetzt, sei schon eher ungewöhnlich. Eine mögliche Erklärung ist für Pautsch eben die schwierige, aber unabdingbare Trennung zwischen Wahlkampf und Amtsführung. „Als Angehöriger des öffentlichen Dienstes hat man unabhängig davon die Pflicht zur Neutralität – man darf sich also nicht politisch äußern.“ Entscheide man sich zu einer Kandidatur in der Kommune, in der man arbeite, dürfte die Kandidatur bei amtlichen Terminen keine Rolle spielen. „Da dürfen weder Flyer verteilt werden, noch die Kandidatur direkt oder indirekt angeführt werden“, betont Pautsch. Fotos von amtlichen Terminen dürften nicht im Wahlkampf genutzt werden. „Weil die Trennschärfe da sehr schwierig ist, bewerben sich die meisten Verwaltungsprofis in externen Kommunen.“

Die Einschätzung der Fraktionen Hans Bartholomä, Fraktionsvorsitzender der CDU, stellt fest, dass der Wahlkampf stark in den sozialen Medien ausgetragen wird. Die Christdemokraten wollen beobachten, ob Koyutürk sich da an die Spielregeln hält. „Wir haben ein kritisches Auge darauf“, sagt er. Bartholomä betont jedoch die Wichtigkeit des Wahlkampfs. „Er dient dazu, viele Bürger an die Urne zu bringen.“ Auch die FDP möchte verfolgen, ob Grenzen verletzt werden. Derartiges hat Fraktionsvorsitzender Ender Engin noch nicht bemerkt. „Ich halte das Auftreten von Herrn Koyutürk bis jetzt nicht für verwerflich“, sagt er. Eine klare Trennung sei mitunter nicht einfach. Sicherlich werde der Fachbereichsleiter bei dienstlichen Terminen auf seine Kandidatur angesprochen.

Hans-Michael Gritz, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, hält es für schwierig, Vorstöße zu erkennen. „Ich kann nicht einsehen, welche Termine dienstlich sind und welche nicht“, sagt er. Auch ihm ist bisher jedoch nichts Fragwürdiges zu Ohren gekommen. Ähnlich argumentiert Markus Kämmle, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. „Ich habe nicht den Eindruck, dass es aus dem Ruder läuft“, sagt er. Thomas Ulmer, Fraktionsvorsitzender der Grünen, hält beide Kandidaten für ausreichend sensibel bei diesem Thema. „Ich traue ihnen einen fairen Wahlkampf zu“, sagt er.