Auch am Tag danach kann der künftige OB Martin Kaufmann seinen Sieg kaum fassen.

Leonberg - Nach einer kurzen Nacht ist Martin Kaufmann am Montagmorgen um acht in sein Noch-Büro gegangen. Bis nach eins hatte der frisch gewählte Oberbürgermeister mit Freunden und Unterstützern seinen Überraschungserfolg im Allegro gefeiert. Zu lange durfte die Spontanparty nicht gehen. Schließlich hatte der amtierende Bürgermeister von Rudersberg im Rems-Murr-Kreis am Montag einen strammen Terminkalender.

 

„An einem Wahlabend realisiert man so ein Ergebnis gar nicht so richtig“, sagt Kaufmann mit 16 Stunden Abstand. „Das ist mir erst im stillen Kämmerlein bewusst geworden“. Mit „so ein Ergebnis“ meint der 51-jährige Sozialdemokrat sein persönliches Abschneiden bei der Oberbürgermeister-Wahl am Sonntag. Fast 52 Prozent hat er aus dem Stand geholt und ist damit direkt zum Nachfolger von Bernhard Schuler gewählt worden. Der zweite Wahlgang, mit dem fast alle einschließlich Kaufmann selbst gerechnet hatten, ist überflüssig.

Kaufmann: „Der Wahlkampf war fair“

„Das ist schon überwältigend“, sagt der designierte OB. Schließlich hat er fast doppelt so viele Stimmen geholt wie seine schärfste Konkurrentin Inge Horn. Für sie und die beiden anderen Wettbewerber, Ulrich Vonderheid und Klaus Brenner, findet er versöhnliche Worte: „Der Wahlkampf war fair, der Umgang sympathisch. Es ist nicht üblich, dass man sich so gut versteht.“

Die freundlichen Worte haben auch einen praktischen Hintergrund. Brenner und Vonderheid sind amtierende Bürgermeister. Mit ihnen muss Kaufmann zusammenarbeiten. Beide hatten ihm am Sonntagabend im Wahlstudio unserer Zeitung eine gute Kooperation angeboten.

Und diese Offerte tags drauf erneuert. „Es ist eine Frage des Anstands und guter kollegialer Stil, die Hand zur Zusammenarbeit zu reichen“, erklärt Ulrich Vonder-heid. „Welche Akzente der künftige OB nach innen wie nach außen setzt, das muss jetzt abgewartet werden. Da bin ich offen.“

Kaufmann will die Feuerwehr selbst übernehmen

Dass Martin Kaufmann sich für einige Dezernate Vonderheids interessiert, ist kein Geheimnis. Die Feuerwehr, so hat der gewählte Oberbürgermeister im Wahlkampf angekündigt, will er selbst übernehmen. Die Finanzen möchte er zwar bei Vonderheid belassen, sich aber dennoch verstärkt darum kümmern. Der Haushalt für das kommende Jahr ist zwar schon so gut wie fertig. „Aber ich habe dazu schon einige Fragen“, sagt Kaufmann selbstbewusst.

Inwieweit auch Klaus Brenner befürchten muss, dass der neue Chef ihm zu sehr in sein eigenes Baudezernat hineinregiert, ist offen. „Ich gehe von einer guten Zusammenarbeit aus“, sagt der Baubürgermeister, der bisher die Sorge hatte, dass er eher im Falle eines Sieges von Inge Horn mit seiner Vorgängerin fachliche Meinungsverschiedenheit bekommen hätte.

Inge Horn bereut ihre Kandidatur nicht

Zumindest diese Konstellation wird nun nicht eintreten. Inge Horn, die einen überaus engagierten Wahlkampf geführt hatte, ist es nicht gelungen, die Mehrheit für sich zu gewinnen. Aus ihrer Enttäuschung macht die diplomierte Stadtplanerin, die zwölf Jahre das Leonberger Baudezernat geleitet hatte, keinen Hehl: „Ich hätte unsere Stadt sehr gerne in ihre Zukunft begleitet“, sagt die 54-Jährige am Tag danach. Inhaltliche Punkte hält Horn für nicht wahlentscheidend: „Da gab es zwischen Herrn Kaufmann und mir ja keine allzu dramatischen Unterschiede.“ Doch der Wunsch nach einem völlig neuen Gesicht an der Stadtspitze wäre in der Bevölkerung einfach zu groß gewesen.

Trotzdem bereut die gebürtige Leonbergerin ihr Kandidatur nicht. „Der Wahlkampf hat mir viele wichtige Eindrücke und Meinungen gebracht“, sagt sie. „Ich stehe zu meiner Entscheidung und bedanke mich bei den vielen Menschen, die mir geholfen haben, sehr herzlich.“ Fürs Erste zumindest ist Horns Ausflug in die Politik beendet. Nach nur einem Tag Pause will sie in ihrem Hauptberuf als Geschäftsführende Gesellschafterin eines Projektentwicklungsunternehmens wieder voll einsteigen.

Bei der OB-Wahl hatte Martin Kaufmann 51,98 Prozent erzielt, Inge Horn 26,29 Prozent, Ulrich Vonderheid 12,6 Prozent und Klaus Brenner 8,91 Prozent.

Kaufmann ist direkt gewählt und löst am 1. Dezember Bernhard Schuler ab, der dann nach 24 Jahren in den Ruhestand geht. Die Beteiligung bei der OB-Wahl war übrigens geringer als bei der Bundestagswahl (81 Prozent) und betrug 68,3 Prozent.