Der EDV-Experte Harald Hermann soll für die Piraten den Sessel im Rathaus entern.Der CDU-Kandidat Sebastian Turner muss sich mit dem zweiten Platz begnügen.

Stuttgart - Der OB-Kandidat der Stuttgarter Piratenpartei heißt Harald Hermann. Das 52 Jahre alte Parteimitglied setzte sich am Sonntag auf der ersten Mitgliederversammlung der Partei im Begegnungszentrum Ost deutlich gegen den parteilosen CDU-Kandidaten Sebastian Turner durch. Hermann, Mitglied der Piraten, erhielt von den stimmberechtigten 26 Parteimitgliedern 15, Turner fünf Stimmen. Insgesamt hatten sich sieben Bewerber um eine Nominierung bemüht, zwei waren aber nicht erschienen.

 

„Ich hoffe, ihr wisst, was ihr da getan habt“, sagte Hermann nach dem für ihn offensichtlich überraschenden Wahlsieg. Der 52-Jährige, der als EDV-Experte bei der Stadt arbeitet, will sich als OB vor allem um einen finanziell ausgeglichenen Haushalt kümmern und sich für eine echte Bürgerbeteiligung einsetzen, um in der Kommunalpolitik zu besseren Ergebnissen zu kommen. „Jetzt haben wir Piraten noch eine Wahl, die wir auch gewinnen wollen“, sagte er. Die inhaltlichen Positionen für den OB-Wahlkampf will er basisdemokratisch mit anderen Mitgliedern entwickeln.

„Für mich war das ein lehrreicher Tag“, sagte der unterlegene CDU-Kandidat Sebastian Turner. Ihm sei mit dem zweiten Platz kein Zacken aus der Krone gefallen. „Wirklich überrascht hätte mich, wenn ich hier gewonnen hätte.“

Mit Hermann bekämen die Piraten einen sachlichen und gut informierten OB-Kandidaten, der gute Standpunkte vertreten. „Ich bleibe offen für den Dialog mit den Piraten“, so Turner.

Umstrittene Bewerbung von Sebastian Turner

Anerkennung bekam auch der parteilose Werbeprofi. „Herr Turner hat in unserem offenen Wahlverfahren einen Achtungserfolg errungen“, erklärte Martin Eitzenberger, der Kreisvorsitzende der Stuttgarter Piratenpartei. Fritz Kuhn, OB-Anwärter der Stuttgarter Grünen, ist da anderer Ansicht. „Die Bewerbung des CDU-Kandidaten war peinlich. Die Klatsche, die er bekommen hat, ist es auch.“

In seiner Wahlrede hatte der 45-jährige Turner erklärt, er wolle mit den Piraten mehr Bürgerbeteiligung durchsetzen. Die Bürger müssten das sichere Gefühl bekommen, dass in der Kommunalpolitik nicht gemauschelt werde. Nach der Vorstellung der Bewerber musste sich Turner die meisten kritischen Fragen gefallen lassen. Spenden an den zu seiner Unterstützung gegründeten Wahlverein werde er nach den Bestimmungen des Parteiengesetzes offenlegen, sagte er einem Fragesteller zu.

Vor der Kür des Bewerbers zur Oberbürgermeisterwahl am 7. Oktober hatten sich die Piraten unter dem Motto „Klar zum Ändern“ mit Anträgen für ihr kommunalpolitisches Programm beschäftigt.

„Damit stehen natürlich wir noch ganz am Anfang“, erklärte Eitzenberger. Schließlich sei der Kreisverband Stuttgart, der inzwischen 254 Mitglieder habe, erst Ende Oktober 2011 gegründet worden. Zur ersten Mitgliederversammlung hätten die bereits bestehenden Arbeitskreise „Bauen und Verkehr“ sowie „Kunst und Kultur“ bereits eine Reihe von inhaltlichen Anträgen vorgelegt.

Bandbreite der Themen ist groß

Deren Bandbreite ist groß. Beim Thema Verkehr wurde die Forderung nach einer „leistungsfähigen Nord-Ost-Umfahrung“ und der „Verlängerung der B 312 durch die sogenannte Filderauffahrt“ beschlossen. Auch der Forderung nach „Abschaffung der Umweltzone Stuttgart und die Prüfung alternativer Maßnahmen zur Feinstaubreduzierung“ stimmte die Mehrheit zu. Der Antrag „fahrscheinloser Nahverkehr im Gebiet des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS)“ wurde hingegen vertagt, weil die Arbeitsgruppe noch eine detaillierte Kostenrechnung vorlegen will. In etwa müsse jeder Stuttgarter – ausgenommen sozial Schwache – rund 18 Euro im Monat zahlen. Damit hätte jeder ein Ticket in der Tasche. Dann steige die Attraktivität des Nahverkehrs, weil der Tarifzonen-Dschungel wegfalle. Bei diesem Antrag rechnet Eitzenberger auf der „nächsten Mitgliederversammlung mit einer großen Mehrheit“.

Beim Thema Stadtentwicklung fordern die Piraten eine lebendige „Bürgermetropole Stuttgart“. Als urbane Kommune müsse die Stadt ein „räumliches Miteinander von Arbeiten, Wohnen und Freizeit“ bieten. Notwendig sei der Bau von bezahlbaren Wohnungen mit einer Quote von 20 Prozent im sozialen Wohnungsbau.

Mehr Engagement verlangt die Partei auch beim Ausbau der Kindergartenbetreuung. Genügend Plätze stünden weder den bis Dreijährigen noch den Drei- bis Sechsjährigen zur Verfügung.