OB-Wahl in Stuttgart Der schleichende Autoritätsverlust des Oberbürgermeisters

Oberbürgermeister zu sein, ist keineswegs vergnügungssteuerpflichtig, sagt der scheidende Stuttgarter OB Wolfgang Schuster. Längst sind es nicht nur die Wutbürger, die den Rathauschefs zu schaffen machen.
Stuttgart - Im Idealfall ist der Oberbürgermeister eine Art „Stadtvater“, sagt Wolfgang Schuster. Doch in den vergangenen Jahren hat der am 5. Januar aus dem Amt scheidende Christdemokrat auch eine andere Seite seines Berufes kennengelernt. „Durch die Personalisierung von Sachentscheidungen werden die Emotionen der Gegner von Projekten auf die Person des politisch Verantwortlichen projiziert“, lautet seine Analyse, die er 2010 unter dem Eindruck der intensiven Auseinandersetzungen über den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 verfasst hat. Persönliche Beschimpfungen, Leserbriefe, Angriffe in den Medien durch Bürgerinitiativen seien dabei Teil des Repertoires, um Druck auszuüben.
„Der Bürgermeister zum Anfassen ist deshalb sehr häufig auch ein Bürgermeister zum Angreifen, der als Blitzableiter für persönliche Frustrationen und Ängste mancher Bürger herhalten muss“, wie Schuster befindet. „Dies führt kaum dazu, dass das Amt des Oberbürgermeisters besonders vergnügungssteuerpflichtig wird.“
Auch aus dem Gemeinderat muss der OB oft Attacken abwehren
Doch nicht nur die Wutbürger machen den Rathauschefs landauf, landab zu schaffen. Auch aus dem Gemeinderat selbst, dem der Oberbürgermeister vorsitzt und in dem er – Ausdruck seiner Machtfülle – eine Stimme hat, muss er oftmals Attacken abwehren. Das gehört zweifelsfrei zur demokratischen Selbstkontrolle, dennoch haben sich Art und Ausmaß der Kritik verändert: weg vom sachlichen Diskurs, hin zur persönlichen Auseinandersetzung. Der gerade überzeugend wiedergewählte und ob seines menschlichen Umgangs dennoch heftig kritisierte Göppinger Oberbürgermeister Guido Till wird von dem Linken-Stadtrat Christian Stähle geradezu mit Dienstaufsichtsbeschwerden überschüttet.
Wohlgemerkt: das ist Stähles gutes Recht, auch wenn der Erfolg meist ausbleibt. Aber das zeigt, dass in diesem höchsten Organ einer Gemeinde, in dem eigentlich nach pragmatischen Lösungen gesucht werden soll, immer öfter erbitterter parteipolitischer und persönlicher Hader vorherrschen. Und Göppingen ist kein Einzelfall. Im Regierungspräsidium, an das als Aufsichtsbehörde die Beschwerden gehen, wird der Eindruck geteilt. Belastbare Zahlen gibt es aber nicht.
Kompetenzgerangel sind an der Tagesordnung
Aber nicht nur das Verhältnis zum Gemeinderat ist vielfach belastet, auch innerhalb der Kommunalverwaltungen brodelt es immer häufiger – das Stadtoberhaupt und seine engsten Mitarbeiter sind sich nicht grün, was sich in Sitzungen zeigt, mitunter aber auch aktenkundig wird. Im beschaulichen und dank des millionenschweren Gewerbesteuerzahlers Porsche solventen Weissach (Kreis Böblingen) setzte die Bürgermeisterin Ursula Kreutel ihren Hauptamtsleiter wegen eines Kompetenzgerangels kurzerhand vor die Tür. Wenige Wochen später hatte sich der Mann vor Gericht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückgeklagt. Inzwischen hängt der Haussegen im Rathaus richtig schief. Bürgermeisterin und Gemeinderat liegen über Kreuz, und es gibt auch hier eine – Dienstaufsichtsbeschwerde.
All dies sind, auch wenn jeder Einzelfall spezifische Gründe hat, Hinweise darauf, dass die persönlichen Anforderungen an die Rathauschefs in dem komplizierten Beziehungsgeflecht einer Stadt eher gewachsen als gesunken sind – und dass sie sich stärker als in der Vergangenheit von allen Seiten infrage stellen lassen müssen. Man kann das auch einen schleichenden Autoritätsverlust nennen.
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