Wie steht es um Stuttgart wirklich? Und welche Zukunftskonzepte haben die vier OB-Kandidaten, die von den im Gemeinderat vertretenen Parteien und Fraktionen unterstützt werden? Heute in der StZ-Serie zur Wahl: die Hochschulen.

Stuttgart - Als Hochschulstadt und Wissenschaftsstandort kann Stuttgart bisher kaum punkten – und schon gar nicht als Studentenhochburg. Dabei bietet die Landeshauptstadt mit ihren zwei Unis, 15 Hochschulen, 13 Forschungseinrichtungen und 58 000 Studierenden eigentlich beste Voraussetzungen dafür. Damit verfügt die Stadt laut einer Bilanz von Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann über eine der höchsten Dichten an akademischen Einrichtungen in Deutschland. Ihre Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen seien wesentliche Impulsgeber für den wirtschaftlichen Erfolg von Stadt und Region, und Stuttgart gilt als eine der innovativsten Hightech-Regionen. Nicht von ungefähr werden hier die meisten Patente pro Kopf in Deutschland angemeldet. Doch der Öffentlichkeit ist dies alles kaum bekannt. Das hat Gründe. Vermarktung Auf seiner Homepage präsentiert sich Stuttgart im Stadtporträt vor allem als touristisch attraktive Kommune mit Weinbergen, Mineralbädern und Stadtfesten. Von Hochschulen und Forschungseinrichtungen keine Rede. Diese sowie Informationen zu Studium und Wohnen und Unterstützungsmöglichkeiten findet der interessierte Internetbesucher erst, wenn er sich durch den Button „Bildung“ zum Unterpunkt „Studium und Forschung“ weiterklickt. Einen Gesamtüberblick über die Hochschulstadt und ihre Bedeutung für den Standort findet sich dort nicht. Eine Broschüre sei in Arbeit, berichtet die beim Kulturamt angesiedelte städtische Hochschulreferentin Marina Wall. Vernetzung 2008 wurde unter der Leitung von Bildungsbürgermeisterin Susanne Eisenmann der Arbeitskreis Wissenschaft ins Leben gerufen. Regelmäßig treffen sich dort die Leiter der Hochschulen und wissenschaftsnaher Einrichtungen. Bei dem Austausch geht es darum, die Landeshauptstadt als internationalen Wissenschaftsstandort zu positionieren und Möglichkeiten zu finden, wie die Anwerbung von Spitzenwissenschaftlern vorangebracht werden kann – aber auch über Stadtplanung und Raumgewinnung sowie Kitas auf dem Campus wird diskutiert. Im Juli 2011 trat die Stadt dem Verein „Hochschul- und Wissenschaftsregion Stuttgart“ bei. Ziele sind eine bessere Vernetzung zwischen Hochschulen und Unternehmen und ein besserer Wissenstransfer, aber auch Forschungs- und Bildungsprojekte. Geplant sind der Aufbau eines Alumni-Portals sowie die Einwerbung von Geldern für den Standort, etwa bei EU-Ausschreibungen. Veranstaltungen Seit 1978 gibt es in Zusammenarbeit mit dem Historischen Institut der Uni Stuttgart die wissenschaftliche Reihe „Geschichte im Rathaus“, in der Historiker geschichtswissenschaftliche Fragen beleuchten. In der Reihe „Wissenschaft im Rathaus“ präsentieren Stuttgarter Wissenschaftler der Öffentlichkeit aktuelle Forschungsergebnisse und ihre Auswirkungen. Seit der Halbierung des Budgets 2009 sei die Durchführung dieser Reihen wesentlich schwieriger, so Eisenmann. Dennoch veranstaltet die Stadt jedes Jahr kurz vor den Sommerferien für Kinder und Jugendliche ein Science Quiz im Rathaus. Ziel ist es, schon bei den Kleinen Begeisterung für die Wissenschaft zu wecken. Hochschulpolitik Die Stadt und OB Wolfgang Schuster halten große Stücke auf die Geisteswissenschaften. Nachdem der Stuttgarter Unirektor Wolfram Ressel im Juni 2009 angekündigt hatte, zahlreiche geisteswissenschaftliche Professuren für natur- und ingenieurwissenschaftliche Fachbereiche umwidmen zu wollen, bezogen Rathausspitze und Gemeinderat klar dagegen Stellung. Ressels Pläne verschwanden in der Schublade. Unterstützung vom OB gibt es für Pläne der Hochschule der Medien, ein deutsch-chinesisches Konfuzius-Institut in Stuttgart aufzubauen. Auch für den Aufbau deutsch-türkischer Hochschulbeziehungen an der Hochschule für Technik setzt sich Schuster ein. Ziel sind Doppelabschlüsse mit der Bosporus Universität. Infrastruktur „Es ist wichtig, Stuttgart mehr als Studentenstadt zu etablieren“, resümierte Bürgermeisterin Susanne Eisenmann bei einem Bericht über die Hochschulaktivitäten Anfang des Jahres. Und sie räumte ein: „Andere Hochschulstandorte sind in diesem Bereich wesentlich besser aufgestellt als Stuttgart.“ Tatsächlich wurde 2009 im Rahmen der Kürzungen das kostenlose Studiticket für studentische Neubürger eingestellt. Mit dem 184 Euro teuren Semesterticket nimmt Stuttgart einen Spitzenplatz ein. 2011 wurde in Stuttgart zudem eine Zweitwohnungssteuer eingeführt. Davon sind auch Studierende und Wissenschaftler betroffen, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Stuttgart haben. Hochschulen unterstütze die Stadt, indem sie Grundstücke und Räume vermittle, bei Neubauten sorge sie für eine rasche Abwicklung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, so Wall. Rainer Franke, der Rektor der Hochschule für Technik, bestätigt dies nicht. Es sei noch immer nicht gelungen, für das international erfolgreiche Solarhaus einen Standort zu finden. Und beim Thema Brandschutz handhabe die Stadt ihren Ermessensspielraum äußerst restriktiv. Service/Studierende Mit Aufrufen an Privatvermieter versucht Schuster, mehr Wohnraum für Studenten zu gewinnen. Für Erstsemester ist am 18. Oktober eine Willkommensparty samt musikalischem Rahmenprogramm auf dem Marktplatz geplant. Vorgesehen sei auch ein Bonusheft für kulturelle Veranstaltungen. An einem „Welcome-Paket“ werde noch getüftelt. Service/Professoren Um Wissenschaftlern und ihren Familien attraktive Rahmenbedingungen zu bieten, hat die Stadt in den relevanten Ämtern und Stabsstellen Verantwortliche als Ansprechpartner benannt – so etwa beim Ordnungsamt, Schulverwaltungsamt, Amt für Liegenschaften und Wohnen und der Wirtschaftsförderung. Wall und das von der Uni Stuttgart koordinierte „Dual Career Programm“ helfen Forschern dabei, für ihre Partner(-innen) Berufe und für die Kinder Bildungs- und Betreuungseinrichtungen zu finden.