Nach der Volksabstimmung vermeidet OB Schuster Triumpfgeschrei und wartet vorerst ab - doch die Frage, ob er erneut kandidiert, steht im Raum.  

Stuttgart - Wenn Wolfgang Schuster das wäre, was man eine politische Rampensau nennt - emotional und mitunter aufbrausend, manchmal noch schneller redend als nachdenkend, das Herz auf der Zunge tragend, ohne jede Rücksicht auf eigene Verluste und Anderleuts Empfinden - dann hätte er am Sonntagabend, so gegen 19.30 Uhr, die Gunst der Stunde genutzt: "Ich bin der dienstälteste Kämpfer für Stuttgart 21", so hätte der Oberbürgermeister in den gut gefüllten Ratssaal, in die Kameras und die Mikrofone rufen können, "und deshalb trete ich im Herbst 2012 noch einmal an. Ich möchte bis 2018 Oberbürgermeister von Stuttgart bleiben." Damit hätte der 62-Jährige, der seit Januar 1997 an der Spitze des größten Rathauses in Baden-Württemberg steht, den Überraschungscoup des Abends gelandet - und eine dicke Schlagzeile für sich gehabt.

 

Doch Wolfgang Schuster ist nicht aus diesem Holz geschnitzt - ein Kopfmensch, kein Instinktpolitiker, der auf die Stimmung der Stimmbürger setzt. Deshalb vermeidet der Oberbürgermeister nach dem unerwartet klaren Votum in Stadt und Land für Stuttgart21 jegliches Triumpfgeschrei und stellt stattdessen lieber die Sachpolitik in den Vordergrund: "Wir müssen unsere Hausaufgaben machen, Themen anpacken wie die Energiewende", betont Schuster gegenüber der Stuttgarter Zeitung und hält sich in der K-Frage - wer kandidiert mit der hiesigen CDU im Rücken in genau einem Jahr für das Amt des Oberbürgermeisters? - weiterhin bedeckt. Nun erst am 9. Januar werde er sich offenbaren, und keinen Tag früher.

Landtagswahl wegen Stefan Mappu verloren

Stefan Kaufmann, der Kreischef der Christdemokraten, erklärte: "Der Ausgang der Volksabstimmung ist ein Erfolg für unsere ganze CDU, natürlich auch für den Oberbürgermeister." Dessen Position sei zweifellos gestärkt. Acht Monate nach der verlorenen Landtagswahl vom 27. März sagt Kaufmann: "Wir sind wieder im Spiel." Die Landtagswahl habe man "nicht verloren wegen Stuttgart 21, sondern wegen Stefan Mappus". Die Frage für 2012 müsse lauten: "Mit welchem Kandidaten gewinnen wir die so wichtige OB-Wahl?" Darüber werde es in den kommenden Wochen weitere interne Gespräche geben, "selbstverständlich auch mit Wolfgang Schuster". Und es bleibe dabei: "Ein Nominierungsparteitag wird darüber entscheiden, mit welchem Bewerber die Kreis-CDU in diesen Wahlkampf zieht."

Nicht nur für die CDU, auch für alle anderen Parteien, hat der Ausgang der Volksabstimmung im Blick auf die OB-Wahl eine neue Lage geschaffen: Boris Palmer, der OB von Tübingen, hat seine Chancen - wenn er entgegen seiner früheren Absage antreten wollte - eingebüßt. Die SPD ist heftig auf der Suche, hat sich bereits diverse Absagen eingehandelt, etwa von der parteilosen Reutlinger Rathauschefin Barbara Bosch. Es bleibt also dabei: Der OB-Wahlkampf in Stuttgart beginnt in sechs Wochen - und Wolfgang Schuster gibt den Startschuss.