Stuttgart sonnt sich in seinem Ruf als vorbildliche Einwanderungsstadt. Aber nicht nur das schwächere Bildungsniveau ausländischer Schüler macht deutlich, dass „noch viel passieren muss“, wie der Integrationsbeauftragte betont.

Stuttgart - Mit einem Coup hat es Wolfgang Schuster vor zwölf Jahren geschafft, Stuttgart und seine Integrationspolitik ins Rampenlicht zu rücken. Damals erklärte Stuttgarts OB die Integrationspolitik zur Chefsache. Ganz freiwillig erfolgte der Schritt freilich nicht: Der damalige Ausländerbeauftragte hatte die vom Verfassungsschutz beobachtete Organisation Milli Görüs zu einer Islamreihe eingeladen, es kam zum Eklat. Flugs folgte das Bündnis für Integration und damit Schusters zweiter Paukenschlag: Stuttgart präsentierte als eine der ersten Städte in der Republik ein Konzept für eine kommunale Integrationspolitik.

 

Der Landeshauptstadt mit dem christlich-konservativen Stadtoberhaupt und einem Migrantenanteil von 40 Prozent brachte das Konzept viel Aufmerksamkeit. Die Unesco ehrte Stuttgart mit einem Preis, und von überallher reisten Journalisten nach Stuttgart, um sich zeigen zu lassen, wie Integrationspolitik funktioniert. Die Stadt sonnt sich bis heute in dem Ruf von der vorbildlichen Einwanderungsstadt. Und ihr OB konnte sich über Einladungen zur Islamkonferenz und zum Integrationsgipfel nach Berlin freuen.

Stuttgart ist vorne dran

Dabei finden sich in dem inzwischen überarbeiteten Integrationskonzept viele Selbstverständlichkeiten: Migranten sollen dieselben Chancen bekommen wie alle anderen, ist da zu lesen, und Vielfalt sei als Chance zu betrachten und nicht als Last. Nun muss man Schuster und der Stuttgarter Kommunalpolitik aber zugutehalten, tatsächlich vieles vorangetrieben zu haben. So gehörte Stuttgart zu den ersten Städten, die flächendeckend Deutschkurse für Zuwanderer eingerichtet haben. Als 2005 das Zuwanderungsgesetz kam, das Integrationskurse verbindlich machte, konnte Stuttgart Erfahrungen einbringen, die andere Städte noch gar nicht hatten.

Viel passiert ist in den vergangenen Jahren im Bildungsbereich, und es sind auch die Migranten, die davon profitieren. In den Kindertagesstätten wurde die Sprachförderung ausgeweitet, in den Schulen ist man dabei, Ganztagesbetreuungen aufzubauen, um auch Kinder aus bildungsfernen Zuwandererfamilien zu fördern. Ausgelöst freilich waren die Investitionen in die Bildung vor allem durch den Pisa-Schock. Aber auch die Zahlen, die in dem ersten Integrationskonzept auftauchten, dürften ihren Beitrag geleistet haben. Damals schafften nur wenige Migranten den Sprung ins Gymnasium, der Großteil blieb in den Hauptschulen.

Ausländische Schüler tun sich schwerer

Das Renommee der Stadt hat an dem grundlegenden Dilemma nichts geändert. Im Schuljahr 2011/2012 lag der Ausländeranteil an den Gymnasien bei 13,3 Prozent, der in den Haupt- und Werkrealschulen aber bei 56 Prozent, nicht eingerechnet die Migranten mit deutschem Pass. Während im Schnitt nur 1,4 Prozent der deutschen Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlassen, sind es 6,2 Prozent der ausländischen Schüler. Die Integrationsabteilung hat deshalb einige Projekte auf den Weg gebracht, fast alle aber setzen auf Ehrenamtliche, sind zudem auf einzelne Schulen beschränkt und bleiben damit von begrenzter Wirkung. Ein Beispiel ist das Projekt Startklar, bei dem Senioren Hauptschülern beim Berufseinstieg helfen. „Wenn man sieht, dass inzwischen 60 Prozent der Grundschüler aus Einwandererfamilien stammen, weiß man, da muss noch viel passieren“, sagt der Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic. Integrationspolitisch unverändert trist sind auch die Arbeitslosenstatistiken. Im Juni 2012 waren in Stuttgart 15 848 Menschen arbeitslos gemeldet, davon haben fast 40 Prozent einen ausländischen Pass.

Die Stadt bemüht sich dennoch, nicht nur bei der Bildung. So hat eine kommunale Islamkonferenz Vertreter verschiedener Moscheen an einen Tisch gebracht. „Der Stresstest steht noch aus“, sagt Pavkovic und meint den Neubau einer großen Moschee. Ausgebaut wurde auch die Kooperation mit anderen Migrantenvereinen. „Früher waren diese nur für Folklore zuständig, heute laden sie die OB-Kandidaten zum Schaulaufen ein“, sagt Pavkovic erfreut über die wachsende politische Beteiligung.

Azubikampagne für Migranten

Angestoßen wurde eine Einbürgerungskampagne, die sich an bestimmte Zuwanderergruppen wendet und die dazu führt, dass mehr Migranten einen deutschen Pass beantragen. Den guten Ruf in der Integrationspolitik mehren soll eine Azubikampagne, die mehr Migranten für die Stadt werben soll. Derzeit arbeiten viele Zuwanderer im Garten- und Friedhofsamt, nur wenige im höheren Dienst.

Mit Blick auf die demografische Entwicklung ist sich der Integrationsbeauftragte sicher, dass sich Stuttgart weiter öffnen muss. „Wir müssen die Zuwanderer mit offenen Armen empfangen“, fordert Pavkovic und verweist auf die Ingenieure und Altenpfleger, die in den EU-Krisenländern angeworben werden, um den Fachkräftemangel abzumildern. Da aber sind andere Städte schon weiter: Hamburg zum Beispiel hat bereits ein Welcome-Center eingerichtet, das nicht nur bei den Anmeldeformalitäten hilft. „Auch wir in Stuttgart brauchen Strategien, wie wir qualifizierte Einwanderer gewinnen“, sagt Pavkovic.