Die CDU als Wahlhelfer: Fritz Kuhn wäre für viele Bahnhofskritiker nicht wählbar. Doch mit Thomas Strobl steht ihm die Konkurrenz bei.

Stuttgart - Für das Lager des OB-Kandidaten Fritz Kuhn könnte sich Thomas Strobl zu einem unerhofften Wahlhelfer entwickeln. Zwar sollte die Warnung des CDU-Landesvorsitzenden, ein Grüner in der Villa Reitzenstein und einer als OB im Rathaus wären der Tod von Stuttgart 21, ein Hinweis für alle Projektbefürworter – sowohl der SPD als auch der bisherigen Nichtwähler – verstanden werden, sich bei der Neuwahl am 21. Oktober für den CDU-Kandidaten Sebastian Turner zu engagieren. Gleichzeitig hat Strobls Hinweis aber noch einen zweiten Adressaten gefunden: die vehementen Tiefbahnhofgegner, die beim ersten Wahlgang dem SÖS-Kandidaten Hannes Rockenbauch ihre Stimme gegeben haben, weil sie daran zweifelten, dass ein Grüner ein Sachwalter ihrer Interessen sein könnte.

 

Aufgefordert kann sich die Hälfte der rund 20 000 Wähler von Rockenbauch fühlen, die laut einer Emnid-Umfrage von der vergangenen Woche im zweiten Durchgang nicht für Kuhn stimmen wollte. Rockenbauch hat mit 10,4 Prozent keine Aussicht, OB zu werden. Für diesen Fall hat er seinen Rückzug angekündigt, den er wohl am Mittwoch verkünden wird.

Ökopartei zeigte für S21-Gegner zu wenig Einsatz

Mit Strobls Hilferuf ist das Koordinatensystem der Projektgegner vollends in Unordnung geraten. Denn Tausende Grünen-Sympathisanten hatten sich eigentlich vorgenommen, nach der Volksabstimmung 2011 nie mehr Grün zu wählen. Die Ökopartei zeigt nach ihrem Geschmack zu wenig Einsatz, die Nachteile des Projekts deutlich zu benennen sowie sich weiter für einen Ausstieg einzusetzen.

Als ein Verantwortlicher wurde der Tübinger OB Boris Palmer ausgemacht, vor allem nach seinem von vielen als Provokation empfundenen „freundlichen Auftritt“ in der Broschüre des S-21-Kommunikationsbüros. Dort attestiert er einer kleinen Minderheit eine „zunehmende Verbitterung“ und behauptet, die Leistungsfähigkeit von S 21 wäre schon gegeben, wenn nur die Gäubahn künftig in Tübingen halte. In Ungnade sind aber vor allem der Ministerpräsident Winfried Kretschmann und seine Kollegen im Staatsministerium gefallen, außerdem der Verkehrsminister Winfried Hermann. Sie dächten eher an die Sicherung ihrer Bezüge als an den Erhalt eines Bahnknotens mit ausreichender Leistungsfähigkeit.

Um sich von den derart kritisierten Grünen abzuheben, erweckt der OB-Kandidat Kuhn den Eindruck, die Parteifreunde im Land seien dabei, die Leistungsfähigkeit von S 21 aktiv zu verifizieren. Handele es sich um einen Rückbau, dürfe es nicht gebaut werden. Tatsächlich hat das Verkehrsministerium bis heute nicht selbst den Vorwurf der Internetaktivisten von wikireal.org untersuchen lassen, der Stresstest der Bahn sei manipuliert. Seit Monaten verweist ein Ministeriumssprecher darauf, er warte auf eine abschließende Stellungnahme des wikireal-Gründers Christoph Engelhardt. Weitere Schritte könnten erst „nach Vorliegen und Prüfung der Stellungnahme entschieden werden“.

Zu wenig Kritik der Schwachstellen

Dass die Grünen im Land längst aufgehört hätten, die Schwachstellen von S 21 zu kritisieren, machen die Projektgegner auch am Beispiel eines Softwarefehlers fest. Dadurch sei der Stresstest zu Gunsten des Tiefbahnhofs verfälscht worden. Simpel erklärt: Bei Verspätungen ist in der Simulation das Ausfahrgleis gesperrt, wodurch andere Züge im Bahnhof freie Fahrt haben. In der Realität steht das Signal aber auf Grün. Das senkt die Leistungsfähigkeit.

Das Verkehrsministerium hat zwar eine „Programmungenauigkeit“ bestätigt, aber gleichzeitig auch behauptet, der Effekt sei kompensiert worden, indem zum Ausgleich den Zügen längere Haltezeiten verpasst worden seien. Damit übernähmen die Grünen die Argumentation der Bahn, die den Softwarefehler allerdings kategorisch in Abrede stelle, so der Vorwurf. Nach Ansicht der S-21-Gegner müsste auch Fritz Kuhn als OB-Kandidat dieses „unübliche Verfahren“ hinterfragen und sich dafür interessieren, warum die Haltezeiten nicht im Stresstest aufgeführt worden seien.