Im zweiten Wahlgang wird sich entscheiden, wer in Reutlingen als Oberbürgermeister das Rennen macht. Vier Kandidaten treten an, um Barbara Bosch zu beerben.

Reutlingen - Gerade mal 41 Stimmen Unterschied waren es. Beim ersten Wahlgang zur neuen Oberbürgermeisterin oder zum Oberbürgermeister in Reutlingen hatte der Erstplatzierte zwar einen hauchdünnen Vorsprung, aber keine absolute Mehrheit. Der SPD-Kandidat Thomas Keck lag mit 29,7 Prozent vor dem CDU-Mann Christian Schneider, der 29,5 Prozent der Stimmen erhalten hatte.

 

Bei der entscheidenden zweiten Runde am Sonntag, wo eine einfach Mehrheit zum Sieg reicht, werden sowohl die beiden Kopf-an-Kopf-Favoriten als auch zwei weitere Kandidaten erneut antreten. Der Drittplatzierte Carl-Gustav Kalbfell, der von der FDP favorisiert wird und mit 19,9 Prozent der Stimmen ins Ziel kam sowie der weit abgeschlagene Andreas Zimmermann (Die Partei), der es auf 2,7 Prozent der Wählerstimmen brachte.

Zurückgezogen hat Cindy Holmberg von den Grünen, sie kam auf 16,3 Prozent. „Mir fehlte die Verwaltungserfahrung, das hat sich im Ergebnis gezeigt“, sagt 43-jährige Wirtschaftskorrespondentin. Außerdem sei ihr noch einmal klar geworden: „Reutlingen ist konservativ.“ Eine explizite Wahlempfehlung für einen Nachfolger von Barbara Bosch (parteilos) im Reutlinger Rathaus will sie nicht geben. Nur soviel: „Mir steht Thomas Keck am nächsten.“

Juristisches Nachspiel wegen angeblicher Veruntreuung von Vereinsgeldern

Dem SPD-Mann, der Bezirksbürgermeister von Betzingen und Geschäftsführer des Mieterbunds Reutlingen-Tübingen ist, hat eine Wahlwerbung seines Arbeitgebers einige Probleme bereitet. Angeblich ohne das Wissen von Thomas Keck hat der Mieterbund in einem Schreiben seine Mitglieder aufgefordert, den langjährigen Geschäftsführer zu unterstützen. Ein Reutlinger hat den Mieterbund deswegen bei der Staatsanwaltschaft Tübingen angezeigt. Sein Vorwurf: rund 2000 Euro aus der Vereinskasse seien satzungswidrig für den Versand ausgegeben und somit veruntreut worden. Der Mieterbund spricht von einer alleinigen Entscheidung des Vorstands, Keck sei dabei außen vor geblieben.

Bis auf das juristische Nachspiel ist es ruhig zugegangen im Reutlinger OB-Wahlkampf. Ein Podium folgt in dieser heißen Phase aufs nächste, die Kandidaten wirken erschöpft, aber trotzdem kampfbereit. Und noch ist das Rennen offen: Christian Schneider leitet die Geschäftsstelle der CDU-Landtagsfraktion in Stuttgart und hatte bisher am wenigsten Bezug zu Reutlingen. „Ich möchte mit externem Blick völlig ideologiefrei und überparteilich die großen Themen der Stadt angehen“ – das stellt der 54-Jährige im Fall seiner Wahl in Aussicht.

Thomas Keck, langjähriger Stadt- und Kreisrat für die SPD und gebürtiger Reutlinger, beschreibt sich als einer, der gut integrieren kann und für soziale Gerechtigkeit steht. Und Carl-Gustav Kalbfell, 41 Jahre alt, Sozialbürgermeister von Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen), zielt vor allem auf die jüngeren Wähler. Er legt schon mal eine Tanzrunde im Reutlinger Nachtleben ein, das leider ziemlich am Boden liege und – so die Versprechungen aller Kandidaten – dringend gepäppelt gehöre. Kalbfell setzt unbeirrt auf Sieg. „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“, sagt er selbstbewusst und will, wie die anderen auch, den Ausgang der Wahl am Sonntag im Rathaus miterleben.