Es ist eine Ernüchterung: Die Zahlen der Umfrage zeigen, dass der parteilose Unternehmer Sebastian Turner die Wähler jenseits des bürgerlichen Lagers nicht erreicht hat. Das will er in der letzten Woche vor der Wahl noch ändern.

Stuttgart - Am Tag nach der Veröffentlichung der für Sebastian Turner enttäuschenden Umfrage herrscht im bürgerlichen Lager Ernüchterung: Nur 28 Prozent, drei Punkte hinter dem Grünen-Bewerber Fritz Kuhn – mit so einem schlechten Resultat habe man nun wirklich nicht gerechnet, sagen frustrierte Mitglieder. Hier und da ist aber auch Schadenfreude zu vernehmen. Die parteiinternen Turner-Kritiker erinnern sich noch an die turbulente Kandidatenauswahl im Frühjahr.

 

Sebastian Turner ist jemand, der auch Menschen weit über die klassische CDU-Wählerschaft hinaus ansprechen und für uns gewinnen kann.“ So hatte der Kreisvorsitzende der Stuttgarter Christdemokraten, Stefan Kaufmann, im Februar seine umstrittene Entscheidung begründet, den parteilosen Unternehmer als OB-Kandidaten vorzuschlagen.

Als sich im März die CDU-Mitglieder mit 462 zu 231 Stimmen für Turner und gegen den „Parteisoldaten“ Andreas Renner entschieden, hatte Turner ins gleiche Horn gestoßen: Für einen Sieg reichten die Stammwähler nicht aus. Bei der letzten Kommunalwahl 2009 kam das bürgerliche Lager nur noch auf 45,5 Prozent. „Wir brauchen viele Stimmen von Bürgern, die nicht CDU wählen, die noch nicht CDU wählen“, sagte Turner – und dazu jene von Freien Wählern und der FDP. Aber auch das reiche nicht, „drei weitere Gruppen müssen dazu kommen: die bürgerlichen Sozialdemokraten, die Nichtwähler, die von der Politik verdrossen sind, und die Menschen, die von den Grünen enttäuscht sind. Das sind schon jetzt viele und bis zum Oktober werden es noch mehr.“ Er sei der richtige Mann, diese Wahl zu gewinnen.

Die Ergebnisse der von der Stuttgarter Zeitung und dem Südwestrundfunk bei Infratest dimap in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage machen nun eines deutlich: Die Strategie des Duos Turner/Kaufmann ist bis jetzt nicht aufgegangen. Nur elf Prozent der SPD-Wähler von 2011 sind ins Turner-Lager gewechselt und sieben Prozent Grüne. Auch auf die FDP ist kein Verlass: Nur 48 Prozent unterstützen Turner bisher. Die Zurückhaltung sei auch in den eigenen Reihen zu spüren, klagen Unterstützer in verantwortlicher Position. Sie müssten den Bewerber häufiger unterstützen als gewünscht, weil sich die Mitglieder bei den Standaktionen rar machten. Obwohl 75 Prozent der CDU-Anhänger, die jetzt wieder zur Wahl gehen wollen, für Turner votieren, erreicht er einen erheblichen Teil des klassischen christdemokratischen Klientels nicht. Denn laut der Umfrage sind 34 Prozent der Wähler, die bei der Landtagswahl 2011 für die CDU gestimmt haben, noch unentschieden oder wollen erst gar nicht zur Wahl gehen – ein signifikant höherer Wert als bei allen anderen Bewerbern im Blick auf ihre eigenen Anhänger.

Turner will die Unentschlossenen überzeugen

Exakt eine solche Distanzierung von der Partei hatten etliche namhafte Strategen der CDU früh befürchtet. Das CDU-Ehrenmitglied Gerhard Mayer-Vorfelder fragte sich bereits im März, „ob jetzt wohl alle aus der CDU austreten müssen, wenn man mit Parteibuch keine Chance mehr hat“. Auch wenn er inzwischen auf der Unterstützerliste Turners steht, habe er in der jüngsten Kreisvorstandssitzung erneut vor einem Scheitern gewarnt, heißt es. „MV“ habe dem Kreisvorsitzenden zu verstehen gegeben, dass die Stuttgarter CDU „am Boden“ wäre, sollten die Grünen nicht nur den Ministerpräsidenten stellen, sondern auch den Oberbürgermeister. Verlöre Turner, wäre dies allein Kaufmann anzulasten.

Um eine Niederlage zu verhindern, will Turner in der letzten Woche vor der Wahl „die Themen Wirtschaft und Bildung, Sicherheit und Sauberkeit noch einmal betonen“. Außerdem sollen die Unentschlossenen davon überzeugt werden, dass nicht beide Spitzenämter in Land und Stadt von Ökopaxen besetzt sein dürften. Dafür wird kräftig zugespitzt: In zwei Kolumnen in der „Welt“ und auf der Turner-Internetseite erwecken der Unternehmer und sein Team den Eindruck, der Grünen-Kandidat Fritz Kuhn könne kaum Englisch, weil er sich bei einer Podiumsdiskussion weigerte, auf Kommando in die Fremdsprache zu wechseln. „Ich spreche natürlich Englisch“, sagte Kuhn. „Ich bin allerdings kein Dressuräffchen, das dies auf Befehl tut.“ Er habe seit langem den ,The Economist’ abonniert und sei auf seinen Delegationsreisen immer ohne Dolmetscher ausgekommen.

Derweil hat sich auch Alexander Kotz zu einem Tritt gegen das Schienbein des politischen Gegners entschlossen. Der Chef der CDU-Ratsfraktion und Kreishandwerksmeister hat sich des Innungs-Magazins bedient, um Kuhn ein geringes Interesse „an unserem Wirtschaftsbereich“ zu unterstellen, nachdem der Abgeordnete ein Gespräch mit dem Vorstand absagte, um in Berlin per Abstimmung „Spanien zu retten“. Kuhn sagte, mit der Innung sei ein Ersatztermin in einer Bäckerei vereinbart worden, den er wahrgenommen habe. Von einem weiteren Gesprächsangebot mit dem Vorstand wisse er nichts.