Wie ticken die OB-Kandidaten abseits der politischen Bühne? Die Stuttgarter Zeitung und die Stiftung Geißstraße unternehmen mit den vier wichtigsten Aspiranten auf den Chefsessel im Rathaus Spaziergänge durch die Stadt. Hannes Rockenbauch hat beim Stadtspaziergang von StZ und Stiftung Geißstraße über Politik und Privates gesprochen.

Stuttgart - Die kleinen Gemeinheiten hat Hannes Rockenbauch schon vor dem Beginn des Stadtspaziergangs gut in Plastiktüten verpackt. Es ist Samstagmorgen, Stuttgart schwankt zwischen Frühschoppen auf dem Weindorf und Shoppen auf der Königstraße – aber Hannes Rockenbauch will auch an diesem Tag Politik verkaufen. Und weil seit Neustem in Stuttgart auch Laugengebäck nach Politik schmeckt, hat Rockenbauch Brezeln für alle mitgebracht, die zusammen mit einem Kasten Mineralwasser in einem Bollerwagen liegen: Schöne Grüße an seinen Kontrahenten Sebastian Turner.

 

So also sieht der Proviant für einen anderthalbstündigen Stadtspaziergang aus. Er beginnt am Hans-im-Glück-Brunnen und wird einmal durch jene schäbigen und schönen Ecken der Stadt führen, die sich der OB-Kandidat des Bündnisses Stuttgart Ökologisch und Sozial ausgesucht hat. Es ist der Auftakt zu einer Reihe, die von der Stiftung Geißstraße und der Stuttgarter Zeitung in Kooperation mit dem Popbüro der Region Stuttgart veranstaltet wird.

Die Schönheit krummer Fensterläden

Knapp 40 Spaziergänger überqueren die Bundesstraße und stehen wenige Minuten später vor einem verwinkelten Haus in der Weberstraße, die in Wahrheit eher eine Gasse ist. Hannes Rockenbauch legt den ersten Zwischenstopp vor dem Haus des Schwäbischen Heimatbundes ein. Der 32-Jährige erzählt, wie seine Mutter, eine Architektin genau wie er selbst, Mitte der neunziger Jahre den Auftrag erhielt, das alte Haus denkmalgerecht umzubauen. Mutter Rockenbauch musste seinerzeit lange mit den Handwerkern darüber diskutieren, dass die Fensterläden unbedingt krumm und schief sein sollten. Für den jungen Hannes war es ein Lehrstück, wie man mit „historischer Substanz umgehen sollte“.

Die Gruppe geht weiter, erreicht die Leonhardstraße im Stuttgarter Rotlichtviertel. Rockenbauch redet über Zwangsprostitution und Frauenhandel und darüber, wie sich das Leonhardsviertel mit einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme herausputzen ließe. Unter Urbanität stellt sich Rockenbauch dabei etwas ganz eigenes vor: „Hier im Leonhardsviertel ist noch nicht überall Glas und Beton und alles gerade gezogen, wie sonst an vielen Orten der Stadt.“ Das Städtische entdeckt der jüngste der OB-Kandidaten für sich nicht in einem Einkaufszentrum, er findet es auf buckligem Kopfsteinpflaster, in Winkeln und krummen Gassen, in Giebeln und Gauben.

Die Ideologie der autogerechten Stadt

Anderthalb Stunden können kurz sein, wenn man sich so viel vornimmt, wie Hannes Rockenbauch. Die Leonhardskirche im Rücken, eingekeilt zwischen Züblin- und Breuninger-Parkhaus, findet er Belege dafür, dass Stuttgart auf dem verkehrspolitischen Holzweg unterwegs ist: „Diese Nutzung ist nicht mehr zeitgemäß, wenn wir alle mal bereit sind, weniger Auto zu fahren.“ Nur für wenige Minuten hören die Spaziergänger das große Verkehrsrauschen der Bundesstraße nicht, als sie durch das Bohnenviertel laufen, in dem Hannes Rockenbauch innerstädtisches Wohnen und Arbeiten lobt. Dann steht die Gruppe auch schon am Charlottenplatz: „Man spürt hier die Ideologie der autogerechten Stadt.“

Der Autoverkehr stinkt dem linken Kandidaten, der es für eine „dringende Aufgabe“ hält, „die Stadt für die Fußgänger zurückzuerobern“. Auf die Stadtspaziergänger wartet eine längere Pause vor dem Hotel Silber, wo der Architekt Roland Ostertag wartet, um über die Gräuel in der ehemaligen Gestapozentrale zu reden.

Der junge Hannes als Flohmarkthändler

Aber es soll bei den Rundgängen nicht nur um Politik und Geschichte gehen, sondern auch um die Geschichten, die die Kandidaten von sich selbst erzählen. Hannes Rockenbauch redet im Vorübergehen davon, dass er nach dem Familienzuwachs eben vom Westen (28 Quadratmeter) in den Osten der Stadt (90 Quadratmeter) umgezogen ist. Am Karlsplatz erinnert er sich, wie er früher mit seinem Bruder erst Drei-Fragezeichen-Kassetten auf dem Flohmarkt kaufte, um sie nach dem Anhören dort auch wieder zu verscherbeln. Das war noch viele Jahre, bevor er endlich in dem „2001“-Geschäft an der Esslinger Straße seine erste CD erwarb (Pink Floyd).

So wird der Rundgang mit dem Stuttgart-21-Gegner zu einer Mischung aus einem politischen Rundumschlag und mitunter durchaus nostalgischen Kindheits- und Jugenderinnerungen. Was er von den Breuninger-Plänen am Karlsplatz hält? „Wir brauchen weder Luxuswohnungen noch High-end-Cafes in der Stadt, wir brauchen bezahlbaren Wohnraum.“ Dann endet der erste von vier Stadtspaziergängen mit den OB-Kandidaten, die die Nachfolge von Wolfgang Schuster antreten wollen. Nächste Woche ist Fritz Kuhn zu Fuß unterwegs – in seinem Stuttgart.

Die StZ-Veranstaltungsreihe mit Fritz Kuhn finden Sie hier. Den OB-Kandidaten Sebastian Turner laden Stuttgarter Zeitung und Stiftung Geißstraße am 22. September zum Gespräch, Bettina Wilhelm kommt am 29. September in die Eberhardstraße.